Kinosterben am Potsdamer Platz in Berlin: Berlinale macht sich am Alex breit

Eines der beiden Multiplexe am Potsdamer Platz schließt zum Jahresende. Die Filmfestspiele nutzen stattdessen ein Großkino am Alexanderplatz.

Menschen sitzen vor den Vorverkaufsschaltern der Berlinale

Warten, warten, warten: die jährliche Schlange vor den Berlinale-Ticketschaltern Foto: dpa

BERLIN taz | Die Berlinale und der Potsdamer Platz – das war 20 Jahre lang ein glamouröses Dreamteam. Schließlich ist das Nachtleben an dem Platz seit dem Wiederaufbau Ende der 1990er im wesentlichen auf Kinos ausgerichtet. Gleich zwei Multiplexe mit zusammen mehr als 25 Sälen wurden hier kurz nacheinander eröffnet. Und die Filmfestspiele brachten einmal im Jahr Hollywood-Stars an den Retortenplatz, wodurch er imagemäßig zumindest ein bisschen an seine glorreiche Zeit in den 1920ern und frühen 1930ern anknüpfen konnte.

Doch spätestens Ende dieses Jahres dürften sich all jene Kritiker bestätigt fühlen, die den Platz schon immer als seelenlose Hochhauskulisse ohne echtes Leben kritisieren. Am 31. Dezember schließt mit dem Cinestar im Sony-Center eines der beiden Multiplexe mit seinen acht Sälen, auch das 3D-Kino Imax macht zu. Insgesamt fallen damit laut dem Betreiber genau 2.543 Sitzplätze weg.

Auch mit einem Shoppingerlebnis kann der Platz immer weniger locken: Im Einkaufszentrum Potsdamer Platz Arkaden – Eigenwerbung: „Herz der Metropole“ – stehen viele Geschäfte leer. Es soll ab nächsten Jahr umgebaut werden und erst im Jahr 2022 komplett wiedereröffnen. Damit droht eine Abwärtsspirale: Denn für die verbliebene Gastronomie am Platz dürfte durch die wegfallenden kulturellen Angebote der Kampf ums Überleben noch schwieriger werden.

Von den Veränderungen ist die Berlinale, die kommendes Jahr vom 20. Februar bis 1. März stattfindet, ebenfalls stark betroffen. Bisher war das Cinestar eines der wichtigsten Kinos für sie; hier fanden bei den Zuschauern begehrte Vorstellungen der wichtigen Nebenreihen Panorama und Forum statt, und zwar von 11 Uhr morgens bis kurz vor Mitternacht. Weil die acht Säle komplett leer geräumt werden und auch die Technik abgebaut wird, ist eine Weiternutzung gerade mal zwei Monate nach Schließung unmöglich.

Wo sollen all die Besucher hin?

Die Berlinale gilt, anders als die anderen beiden großen internationalen Festivals in Cannes und Venedig, als Publikumsfestival, für das jedes Jahr mehr als 300.000 Eintrittskarten verkauft werden. Deswegen hatte sich die Berlinale-Leitung schon seit längerem auf die nicht ganz einfache Suche nach Ersatzkinos gemacht.

Zumindest teilweise mit Erfolg: 2020 wird das Cubix am Alexanderplatz mit seinen acht Sälen komplett genutzt werden, sagte Mariette Rissenbeek, Geschäftsführerin der Berlinale, am Donnerstag auf taz-Anfrage. Schon in den vergangenen Jahren wurden dort drei Kinosäle von der Berlinale bespielt. Das Cubix wird ebenfalls von Cinestar betrieben und hat 2.437 Sitzplätze.

Auch werde die Akademie der Künste am Hanseatenweg mit ihrem großen Saal 2020 wieder genutzt, erklärte Rissenbeek weiter. Und in anderen Kinos, wo ebenfalls schon bisher Berlinale-Filme gezeigt wurden, werden die Kapazitäten aufgestockt.

Etwa in den sieben Kinos des kleinteiligen Delphi-Lux am Zoo. Dort soll ein Teil des Europäischen Filmmarkts (EMF) stattfinden, bestätigte eine Sprecherin der Yorck-Gruppe, zu der das Kino gehört.

Blick auf den Potsdamer Platz

Retortenkulisse mit Hochhäusern: Potsdamer Platz Foto: dpa

In der großen Halle des Arkaden-Shoppingcenters hatte die Berlinale traditionell mehrere Ticketschalter und einen Merchandising-Stand aufgebaut; dort entstehen jedes Jahr die immer gleichen, berühmten Fotos mit den Schlangen und den vor den Kassen übernachtenden Filmfans. Die wird es dort auch 2020 geben, trotz der durch Umbauten und Schließungen tristen Kulisse in der Mall, teilte Rissenbeek mit. Die Arkaden würden weiterhin von der Berlinale genutzt.

Dennoch wird das Zentrum der Berlinale am Potsdamer Platz durch die Verschiebungen weiter an Bedeutung verlieren. Das dürfte sich auch insgesamt auf die Atmosphäre der Filmfestspiele negativ auswirken – zumindest für jene Cineasten, die neben den Filmen ein paar Promis sehen wollen, und dafür immer mehr Wege durch die Stadt in Kauf nehmen müssen.

Und es könnte noch schlimmer kommen für den Potsdamer Platz und die Berlinale: Sie könnte das wichtigste Kino – das Premierenkino für den Wettbewerb mit dem Roten Teppich – verlieren. Der sogenannte Berlinalepalast ist eigentlich ein Theater. Es wechselte vor kurzem den Besitzer: der Konzertveranstalter Live Nation hat das 1.750-Plätze fassende Haus von Stage Entertainment übernommen; künftig soll hier der Cirque du Soleil gezeigt werden. Die Filmfestspiele haben nur bis einschließlich 2022 einen Nutzungsvertrag für das Theater. Mariette Rissenbeek gibt sich jedoch zuversichtlich, dass die Berlinale es auch darüber hinaus nutzen kann. „Die Gespräche mit Live Nation haben wir bereits aufgenommen.“

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.