Rechtsextremistische Angriffe auf Linken-Büro

Ein Bremer Büro der Linkspartei wird regelmäßig attackiert. Jetzt schmiss ein psychisch Kranker ein Fenster ein und brüllte Neonazi-Parolen. Sechs Tage später kam ein Drohbrief

An „Kommunisten und Judenfreunde“ adressiert: Dieses Schaufenster zum Linken-Büro wurde mit einem Gullideckel eingeworfen Foto: privat

Von Eiken Bruhn

Am Mittwochnachmittag sitzen Mitglieder des Bremer Linken-Kreisverbandes Links der Weser in ihrem Büro am Buntentorsteinweg und lassen sich von einem Sicherheitsbeauftragten der Polizei erklären, wie sie sich vor Angriffen schützen können. Am 2. Januar hatte ein 49-jähriger Mann mit einem Gullideckel das Schaufenster eingeworfen, hinter dem jetzt die Linken-Mitglieder sitzen. Dabei soll er laut Zeug*innen auch rechtsradikale Parolen gerufen haben. Er wurde am Tatort festgenommen und befindet sich seitdem in der Psychiatrie.

Am Mittwoch ist das Fenster wieder intakt, darauf kleben Plakate der Partei. „Klima vor Profite“, „Tu was gegen rechts“, „Soziale Sicherheit statt Hartz IV“, „gegen geistige Brandstifter“. Auf ein anderes Fenster haben Unbekannte nach dem Gullideckel-Wurf ein rotes Tonpapier gehängt. Darauf befinden sich drei Herzen und der Satz „Wir stehen zusammen“.

„Das war auch ein anonymer Brief“, sagt Olaf Zimmer dazu und lächelt. Er ist Abgeordneter der Bremischen Bürgerschaft und wohnt in der Neustadt – die Räume sind daher auch sein Büro. Einen anderen anonymen Brief hatte die Linke dort am Montag bekommen. Weil sich im Umschlag ein orangefarbenes Pulver befand, rückte ein Großaufgebot von Polizei und Feuerwehr aus. Die Substanz stellte sich als harmlos heraus, auf dem Fußboden des Büros sind am Mittwoch noch Reste zu erkennen.

Der Begleitbrief ist kurz und handschriftlich. Er unterstellt, dass die Linken, „Kommunisten und Judenfreunde“, den sogenannten „Kalergi-Plan ausgeführt“ hätten. Die englischsprachige Wikipedia ordnet diesen nach einem Buch benannten „Plan“ als von Rechtsextremisten gepflegte Verschwörungstheorie ein, nach der die „weiße Rasse“ durch Vermischung mit anderen Rassen eliminiert werden soll. Der Brief endet mit einem kryptischen „Ihr habt den Bären lang genug gekitzelt“.

In beiden Fällen ermittelt jetzt der Staatsschutz der Polizei. Und: Diese Angriffe sind nicht die ersten auf das Fraktionsbüro in der Bremer Neustadt in der zwei Kilometer langen Straße, in deren innenstadtnahem Teil sich Geschäfte und Cafés befinden. In unmittelbarer Nachbarschaft des Fraktionsbüros gibt es zwei Theater, die städtische Galerie, einen Buchladen. Die Straße ist weder besonders schick noch armselig, sondern irgendwie städtische Normalität. Dazu gehört auch ein Beratungs- und Behandlungszentrum für psychisch Kranke schräg gegenüber.

Warum aber dieses Linken-Büro immer wieder angegriffen wird – dafür hat niemand eine Erklärung. Olaf Zimmer nicht und auch nicht der Pressesprecher der Fraktion. Weder die Geschäftsstelle der Bürgerschaftsfraktion noch die anderen über die Stadt verteilten fünf Abgeordnetenbüros werden regelmäßig angegriffen wie das in der Neustadt.

2016 gab es hier den ersten Eierwurf gegen das Schaufenster, erinnern sich die Mitglieder des Kreisverbandes Links der Weser, 2017 folgten zwei weitere. Im März 2018 schossen unbekannte Täter*innen zwei Mal mit einem Luftgewehr auf das Schaufenster. Im Sommer 2019 entdeckten die Stadtteilpolitiker*innen Farbschmierereien am Fenster, es könnte sich, sagen sie, aber auch um Blut gehandelt haben. Blutverschmiert war zur selben Zeit allerdings auch die Eingangstür eines Kindergartens in der Nachbarschaft. Möglich, dass dieses Mal die Linken gar nicht persönlich gemeint waren.

Olaf Zimmer, der Bürgerschaftsabgeordnete, sagt: „Diese Drohungen zeigen einmal mehr, wie groß die Gefahr von rechts ist. Wir werden aber weiter für eine soziale, offene und solidarische Gesellschaft kämpfen.“

In ganz Deutschland werden Politiker*innen aller Parteien von Rechtsextremist*innen attackiert, bedroht oder beleidigt, vor allem dann, wenn sie sich für geflüchtete Menschen einsetzen. Niedersachsens Innenministerium hatte beispielsweise im Jahr 2018 103 Straftaten gegen Amts- und Mandatsträger verzeichnet, das waren 47 weniger als im Jahr zuvor. Zugenommen hätten hingegen strafbare Beleidigungen im Internet, so ein Sprecher des Ministeriums.

Im Juni 2019 wurde Kassels Regierungspräsident Walter Lübcke (CDU) erschossen, tatverdächtig ist ein den Behörden bekannter Rechtsextremist. Dieser hatte am Mittwoch sein Geständnis widerrufen.