Warten auf Walles Wüste

Immobilien Bremen verspätet sich weiter mit dem Verkauf von Flächen auf dem Dedesdorfer Platz an solidarisch finanzierte Bauprojekte. Das bedroht deren Existenz

Hier sollen einmal die Häuser der Wohnprojekte entstehen. Also irgendwann, vielleicht noch dieses Jahr Foto: Martin Mauritz

Von David Siegmund-Schultze

Das Warten nimmt kein Ende für die geplanten Wohnprojekte auf dem Dedesdorfer Platz in Bremen-Walle. Eine Bürgerinitiative hatte erreicht, dass die Fläche nicht an Investoren verkauft, sondern für solidarische Wohnprojekte zur Verfügung gestellt wurde. Seit Ende 2018 warten die fünf Wohngruppen, die bei der Ausschreibung das Rennen gemacht haben, auf den Verkauf der Fläche durch die Stadt (taz berichtete).

Nachdem die Bebauungspläne fristgerecht eingereicht wurden, habe es geheißen, dass der Verkauf Ende 2019 über die Bühne gehen werde, so Martin Mauritz von der Gruppe „Solidarisch Wohnen“. Doch die Stadt halte sich nicht an ihre Zeitpläne. „Bei den jüngsten Gesprächen kam heraus, dass die Übergabe altlastenfreier Grundstücke sich doch noch bis Ende 2020 verzögern könnte.“

Auf Nachfrage der taz teilte der Pressesprecher von Immobilien Bremen, Peter Schulz, schriftlich mit, dass es nur noch der Abstimmung von Detailfragen bedürfe. In den kommenden Wochen sollen diese mit der Stadtgemeinde Bremen geklärt werden und danach seien die Verträge abschlussbereit.

Mauritz ist da weniger optimistisch, denn „die Verzögerungen durch die Baubehörde ziehen sich bereits durch den gesamten Vergabeprozess“. Unklar sei etwa noch, ob der Boden wirklich unbelastet ist und wie die neu zu bauende Straße genau verlaufen soll. Die Verspätungen der Behörde gefährde die gemeinschaftlichen Wohnprojekte, da dadurch der Beginn der Bauarbeiten immer weiter hinausgezögert werde, so Mauritz: „Wir haben laufende Kosten durch Steuern und Verwaltung.“

Immer mehr Beteiligte springen ab, je mehr Zeit verstreicht

Die Projekte finanzieren sich nach dem Konzept des Mietshäuser-Syndikats. Das soll auch Menschen ohne viel Eigenkapital ermöglichen, sich an gemeinschaftlichen Bauprojekten zu beteiligen. Alle Teilnehmer*innen schmeißen dabei gemäß ihren Möglichkeiten Gelder zusammen, auf deren Basis die Bankkredite aufgenommen werden. Bei den Beteiligten wachse die Ungeduld, sagt Mauritz: „Wir haben alle Geld in dieses Projekt gesteckt. Wenn die Häuser nicht stehen, gibt es keine Miete und damit auch keine Refinanzierung. Das ist für uns existenzbedrohend.“ Denn beim Konzept des Mietshäuser-Syndikats sind die Beteiligten Mieter*innen und Vermieter*innen gleichzeitig. Und nur über die Mieteinnahmen können die aufgenommenen Kredite zurückgezahlt werden. „Wir zahlen 1,5 Prozent Zinsen. Das ist eine große Belastung“, sagt Mauritz. Außerdem würden immer mehr Beteiligte abspringen, je mehr Zeit verstreicht. „Einerseits heißt es immer, Baugemeinschaften sollen gefördert werden, aber in der Praxis scheinen andere Prioritäten vorzuliegen.“

Zur Absicherung des Projekts hat die Initiative „Stadt.Teil.Raum.“ eine Crowdfunding-Kampagne gestartet. 5.000 Euro wurden bereits gespendet. Am Montag startet nun die nächste Runde, bei der insgesamt 20.000 Euro zusammenkommen sollen. Das Geld ist für die Finanzierung von Gemeinschaftsräumen vorgesehen, die neben den Wohnhäusern auf dem Platz entstehen sollen. Geplant sind eine Lebensmittel-Kooperative, eine Fahrradwerkstatt und ein Repair-Café. „In Zeiten des Klimawandels wollen wir einen Gegenentwurf gestalten, wie man ressourcenschonender und in Gemeinschaft leben kann“, sagt Mauritz. Der vor zehn Jahren gegründeten Bürger*inneninitiative sei es darum gegangen, den Kauf der Fläche durch Investoren zu verhindern und zudem den Stadtteil mit zu gestalten.

Dieses jahrelange ehrenamtliche Engagement hat abgesehen von den behördlichen Odysseen jüngst auch Früchte getragen: Die Bürger*inneninitiative „Waller Mitte“ hatten zusammen mit den Wohngruppen einen Vorschlag zur Neubenennung des Platzes eingereicht. Dieser Antrag wurde vom Beirat Walle Ende November angenommen: Waller Mitte wird der Platz nun heißen. Auch die dort neu entstehende Straße wird nach dem Wunsch der Bürger*inneninitiative nach Fasia Jansen benannt. Die 1929 in Hamburg geborene dunkelhäutige Liedermacherin musste als Jugendliche Zwangsarbeit im KZ Neuengamme leisten.

Crowdfunding: www.startnext.com/stadt-teil-raum