Besetzer im Abgeordnetenhaus

STILLE STRASSE Die AktivistInnen aus dem Pankower Freizeittreff nutzen das „Seniorenparlament“, um bei Mitgliedern des Senats für ihre Forderungen zu werben. Die verweisen auf die Zuständigkeit des Bezirks

Doris Syrbe wirkt ein bisschen müde, wie sie da vorn mit dem Mikrofon kämpft. Aber die 72-Jährige mit der roten Fönfrisur, die am Rednerpult des Abgeordnetenhauses steht, hat allen Grund, müde zu sein: Seit acht Wochen schon hält sie mit anderen älteren Menschen den ehemaligen Seniorentreff in der Pankower Stillen Straße besetzt. Jetzt, bei der Veranstaltung „Senioren debattieren im Parlament“, gibt sich Syrbe kämpferisch: „Wir wollen unseren Enkeln kein Land hinterlassen, in dem alles nur mit Geld bewertet wird und der Mensch zum Kostenfaktor verkommt“, erklärt sie. Das Publikum im Saal applaudiert laut.

Einmal im Jahr lädt das Abgeordnetenhaus alte Menschen zur Diskussion mit Parlaments- und Regierungsmitgliedern ins Abgeordnetenhaus. Ein Termin, der bisher weitgehend unbemerkt blieb.

Doch diesmal nicht: Denn die Pankower HausbesetzerInnen haben sich in Aktions-Shirts unter das Publikum gemischt, um die Debatte zu entern.

Syrbe und ihre MitstreiterInnen, die immer noch Tag und Nacht im Seniorentreff verbringen, können nicht verstehen, dass ihre Einrichtung dem Bezirk Pankow keine 2,5 Millionen Euro wert ist. So viel würde die notwendige Sanierung des Gebäudes kosten. Jetzt wollen sie Druck auf den Senat ausüben. Von den anwesenden Senatsmitgliedern – Finanzsenator Ulrich Nußbaum (parteilos), Sozialsenator Mario Czaja (CDU) und Arbeitssenatorin Dilek Kolat (SPD) – fordern sie nun Unterstützung: „Seit Jahren wird bei den Bezirken gespart“, klagt Syrbe, „sie können kaum noch ihre Pflichtaufgaben erfüllen.“ Zu diesen zählten auch die Seniorentreffs.

In seiner Antwort an die Rentner gibt Nußbaum den Schwarzen Peter an den Bezirk zurück: Der sei für die Verteilung der Gelder verantwortlich, die ihm der Senat pauschal zuweist: „Ich verstehe nicht, warum Pankow das beschlossen hat.“ Im letzten Jahr habe der Senat die Mittel für die Bezirke um insgesamt 50 Millionen Euro erhöht. Auch Czaja zeigt sich verwundert. Er sagt, er wolle die Stille Straße besuchen – wenn auch die Bezirkspolitiker kämen. Dazu seien diese aber bisher nicht bereit.

Doris Syrbe und die anderen HausbesetzerInnen hören ohne Murren zu. Wahrscheinlich ahnen sie, dass dieses Pingpong-Spiel noch eine Weile weitergeht. Nach den jüngsten Plänen des Pankower Bezirksamts soll eine „Interessenabfrage“ einen freien Träger für Pacht und Betrieb des Seniorentreffs mobilisieren.

Am kommenden Mittwoch wird die Bezirksverordnetenversammlung entscheiden, ob es dabei bleibt. JOHANNES WENDT