freund und feind
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Die taz hat Kalle alles bedeutet. Und doch, es gab noch ein Leben außerhalb der taz: Grußworte von Weggefährten und Nachbarn

■Die Hassliebe zwischen Axel Springer und der taz wird ja manchmal auf etwas folkloristische Weise gepflegt. Deshalb heute mal ganz ironiefrei: Vor der unternehmerischen Leistung von Karl-Heinz Ruch habe ich einfach uneingeschränkt großen Respekt. Ein erfolgreicher Gründer – denn er hat eine Zeitung maßgeblich mitgeschaffen, die rund vier Jahrzehnte lang die deutsche Medienlandschaft prägt und bereichert. Ein erfolgreicher Kaufmann – denn während viele Zeitungen um ihre Existenz ringen und dabei wirtschaftlich einen Teufelskreis eingeleitet haben, hat die taz das Ringen um die Existenz zu einem Geschäftsmodell ausgebaut und sich konsequent auf die zahlenden Leser konzentriert, um heute sicherer dazustehen denn je zuvor. Ein erfolgreicher Erneuerer – denn die frühe Weichenstellung zu ausschließlich digitalem Vertrieb wird über kurz oder lang von allen kopiert werden. Und ein erfolgreicher Verleger – denn bei allen wirtschaftlichen Zwängen lag das Primat immer auf dem Journalismus, die Leidenschaft galt immer der Macht der Sprache und des Gedankens.Deshalb – und weil ich ihn für einen fairen und integeren Menschen halte –, gratuliere ich von Herzen. Mit besten GrüßenMathias Döpfner Vorstandsvorsitzender der Axel Springer SE und Präsident des Bundesverbandes Deutscher Zeitungsverleger

■ Aus Tunix entstand tazDer Tunix-Kongress im Jahr 1978 diente als Impuls und Aufbruch zu einer neuen alternativen Gründerzeit. Die Idee und der Traum einer neuen linken Tageszeitung wurde geboren und greifbar. Eine Woche nach Tunix gehörtest du, lieber Kalle, zu denen, die in das Berliner Lehrerzen­trum, einer Fabriketage im Hinterhof der Neuköllner Hermannstraße, gingen, um das „Projekt taz“in die Tat umzusetzen. Ein wahrhaft wildes Vorhaben.Ich erinnere mich an eine Veranstaltung unter dem Motto „Zeitungsmachen ist kein Deckchenhäkeln“.Diesem Motto, lieber Kalle, seid du und deine Kolleginnen und Kollegen euch bis heute treu geblieben. Knapp ein Jahr nach Tunix erschien die vierte Nullnummer der taz am 20. Januar 1979. Im Jahr 2018 ist die taz in ihr neues Haus gezogen – und es jährte sich der Impuls zur Gründung zum 40. Mal. Die „Vision taz“,lieber Kalle, hast Du federführend geboren und mitgeprägt. Über die Etablierung einer Genossenschaft mit heute rund 20.000 Mitgliedern hast du etwas geschaffen, für die Vergangenheit, das Heute, die Zukunft und hoffentlich die Ewigkeit. Der taz-Journalismus ist und bleibt der „Rock ’n’ Roll“unter den Blattmachern. Und dafür danke ich dir. Alles Gute und einen spannenden „Unruhestand“wünsche ich dir. DeinAlfred Platow Gründer und Vorstandsvorsitzender der ÖKOWORLD AG(gegründet als versiko im Jahr 1975)

■ Lieber Kalle, als wir uns kennenlernten, hätte ich mir kaum vorstellen können, dass wir einmal Kollegen werden würden. Ganz sicher hätte mir beim gemeinsamen Ausdenken und Umsetzen von taz-Rettungsaktionen und Nachwuchsprogrammen die Fantasie gefehlt, dass die taz einmal ein ökonomisches Musterbeispiel für den ganzen Medienmarkt werden würde, wie die Digitalisierung zu meistern ist. Jetzt bist du also auch noch Vorbild. Das war damals am wenigsten unwahrscheinlich.Genieße die Zukunft!Sebastian Turner, heute Tagesspiegel, früher Mitträger von Berliner Semester/Creative Village und Komplize bei der „Leser-Erpressungs-Rettungskampagne“

■ Karl-Heinz Ruch zum Abschied – Genossenschaften brauchen Persönlichkeiten, die es verstehen, einen gemeinschaftlichen Geschäftsbetrieb in einer unternehmerischen Art und Weise so zu führen, dass die Mitglieder zufrieden sind. Dazu gehören neben wirtschaftlichem Verständnis insbesondere Kreativität und Fingerspitzengefühl im Umgang mit Menschen. Mit Karl-Heinz Ruch hatte die taz eine solche Persönlichkeit. Mit seinem Wirken hat er die Genossenschaft nachhaltig geprägt. Es waren vielfach ungewöhnliche Wege und Entschlusskraft nötig, um die taz in der sich rapide ändernden Zeitungslandschaft gut zu positionieren. Für seine Arbeit, die auch als Vorbild für andere Genossenschaften dient, sagen wir ganz herzlichen Dank. Mathias Fiedler Vorstandssprecher Zentralverband deutscher Konsumgenossenschaften e. V.

■ Kalle war und blieb für mich die lenkende Hand der taz, von außen weniger sichtbar, jedoch immer wahrnehmbar. Nie im Vordergrund und doch immer präsent. Vor und nach jeder taz-Krise habe ich mich gefragt: Wer um Gottes willen hält diesen Laden zusammen?! Wie hätte die taz inhaltlich und strukturell weit jenseits vom Mainstream leben und vor allem überleben sollen ohne Kalle als leisen, wirklichen Visionär und einem effizienten wirtschaftlichen und sozialen Gestalter! Mit einer Wirkungsgeschichte weit über seine Zeit hinaus. Danke Kalle! Ich verneige mich. Du solltest das Bundesverdienstkreuz bekommen! Eine Anerkennung deiner Leistung durch die Republik, für uns, für einen unabhängigen, kritischen Journalismus und damit für Freiheit und Demokratie. Lukas Beckmann, Gründervater der Grünen, ehemaliger Vorstand GlS Treuhand

■ Vom Wort zur Tat. Dass dir das gelingen würde, haben wir sofort geglaubt, nachdem wir dich kennengelernt haben. Und wir haben es nie bereut, uns von deinen Plänen überzeugen zu lassen, die du mit Unterstützung der unverzichtbaren Kommunikationsweltmeisterin Konny kommuniziert hast. Du hast eine Menge Fantasie bewiesen bei den Wegen, die du eingeschlagen hast, um den zeitweise von schweren Wogen geschüttelten Dampfer der taz über Wasser zu halten. Jetzt gehst du von Bord. Dank deines Beitrags zum taz-Gelingen hat der Dampfer genug Wasser unterm Kiel, dass er keine Untiefen zu befürchten hat. „Eine muss es sagen“hieß einmal ein Motto der taz.„Einer muss es machen“,so hieß es bei dir. Gut gemacht! Viel Glück und alles Gute für dich, deine Familie und deine Projekte der nächsten 40 Jahre!Herzliche Grüße Hanne
und Andreas Schairer Stuttgart, langjährige UnterstützerInnen der taz

■ Die Steiner-DelegationErst Jahre später hat uns Kalle verraten, wie er die Gestalten wahrgenommen hat, die in sein Büro geschlappt kamen: Strickjacken vom Verein für ganzheitlichen Journalismus, Steiner-Delegation aus Stuttgart, dem spirituellen Zentrum der Anthros. Die „Kontext“-Redaktion. Nun hat der ewige Geschäftsführer viel erlebt und wir hatten uns auch angestrengt, in der Folge der Kooperation mit ihm so säkular wie möglich zu erscheinen. Wenn Herr Ruch in Stuttgart zu Besuch war, eilten Küchenhexenmeister Klink herbei, die Rostbratenkönigin Claudi von der Weinstube Vetter und der Herr der Zahlen, Rauschenberger, der für Kosten und Logis zuständig war. Im Laufe des Abends konnte Pokerface Kalle dann andeuten, dass ihm mit „Kontext“ eine „Win-win-Situation“gelungen sei, eine kleine „Le Monde diplomatique“ sozusagen. Und dass wir eigentlich ganz okay seien. Das schiefe Grinsen bei diesem Gefühlsausbruch werden wir vermissen.Josef-Otto Freudenreich Kontext

■ War die taz ein Ein-Generationen-Projekt? Ich sehe Kalle mit großem Unbehagen gehen. Ihm werden andere folgen: Sein Co-Geschäftsführer, die langjährig gute Seele der Genossenschaft, andere aus den Ursprüngen der taz geborene Leistungsträger, die Urgesteine sozusagen. Als Kalle die Geschicke der taz zu übernehmen begann, hatten wir noch eine rot-gelbe Bundesregierung (sozial-liberal ging und geht mir nicht über die Lippen). Er überstand die Zeit der späten alten Bundesrepublik, der Wende, der Transition von der Westberliner Subventionswirtschaft in den scharfen medialen Wettbewerbskapitalismus, die Zeit der rot-grünen Bundesregierung, die Merkel-Regierungen. Die Verlagsleiter, die Anfang der 80er Jahre sonst so tätig waren, erinnert heute niemand mehr. Daran gemessen ist die Überlebenskunst von Kalle geradezu sagenhaft. Er hat aber nicht nur überlebt, sondern auch das Überleben der taz gewährleistet. Er stammte noch aus der Zeit, als die taz ein Projekt der dort Arbeitenden war, und nicht ein Arbeitgeber, gegen den man sich mit trickreich arbeits- und betriebsverfassungsrechtlich begründeten Ansprüchen einen möglichst großen Teil vom schmalen Kuchen des Etats herausschneidet. Diese Identität der tazler ist lange verloren. Ebenso verloren gegangen ist der staatsferne politische und publizistische Wert der taz. Sie folgt häufig dem Mainstream. Wenn ich mir die Ansprüche, die die tazler an die taz stellen, ansehe und ins Verhältnis zu den Erlösen der taz setze, dann stellt sich die Überlebensfrage der taz heute viel dramatischer als in der Wendezeit. Denn diese Ansprüche sind schlechterdings nicht zu erfüllen. Der publizistische Wert der taz wird diesen Ansprüchen nicht gerecht. Vielleicht ist es einfach so: Die taz war ein Projekt meiner Generation. Sie war analog. Sie ist gegründet worden als Reaktion auf die Informations- und Nachrichtensperre, die die Schmidt-Regierung mit den herrschenden Medien in den 70er Jahren vereinbart hat und den staatlich und medial installierten Verfassungsbruch gegen Art. 5 des GG. Eine solche Informationssperre würde heute unter den geänderten Medien-Verhältnissen nicht mehr funktionieren. Vielleicht ist deshalb auch der Gebrauchswert der taz nicht mehr so hoch wie zu Kanzler Schmidts, Kohls und Schröders Zeiten.Ich würde mich freuen, wenn ich nicht recht hätte. Aber ich befürchte, dass das dicke Ende für die taz noch bevorsteht. Da muss sie dann durch, ohne ihren Steuermann Kalle Ruch. Ahoi! Jony Eisenberg Justiziar