Golf als Lebenshilfe: Sich mit dem Schläger schulen

Wer Golf spielt, kann viel über seinen Charakter erfahren. Läuft's mal gar nicht auf dem Platz, läuft vielleicht auch im Leben etwas daneben.

Mann schlägt mit einem Golfschläger einen Ball

Kraftvoll konzentriert: Hurly Long bei der Befreiung aus dem Bunker Foto: dpa

„Im Grunde ist Golf ganz einfach. Man nimmt einen Schläger, haut in die Erde, flucht und geht weiter.“

So einfach und fatalistisch wie diese Branchenweisheit funktioniert das Spiel? Fast. Golf ist natürlich mehr. Golf lehrt Konzentration. Und Demut. Und das Verlieren. Man kann nichts zwingen. Wenn du meinst, du hast es raus, fehlt dir von Wolke sieben aus genau die eine Spur Kontemplation zum wirklich guten Schlag. Und er wird fatal misslingen. Anything goes – oft daneben.

Aber Golf wohnt immer auch Trost inne: Auf einen schlechten Schlag folgt bald ein guter. Und leider auf einen guten sehr schnell ein sehr viel schlechterer. Besser ist man schon, wenn man den gleichen Fehler nicht mehr so oft macht. Golf ist buddhistische Gelassenheit auf dem Grün: Nicht du spielst Golf, sondern Golf spielt dich. Golf ist Meditation in Bewegung. Ständig ist eine Perfektion geboten, die nie gelingt, Golf ist eine permanente Erinnerung an die eigene Unzulänglichkeit. By the way: Intensivkurse heißen Golf Clinic. Schlechtes Spiel gilt also als Krankheit.

Golf hält einem den Spiegel vor: Wenn du nicht im Swing mit dir bist, bekommst du auch keinen Golfschwung hin. Dann schiebst du den Ball auch aus kurzer Entfernung am Loch vorbei. Das funktioniert auch vice versa: Du findest auf dem Golfplatz zu deiner Mitte, kommst in den Flow – und vergisst über Stunden alles, was vorher nervend oder störend war. Danach stehen die Chancen gut, den Rest des Tages in Schwung zu sein.

Überall Analogien

Golf macht süchtig. Gut, das sagen viele über ihren Sport. Aber Golf ist nicht nur Droge, sondern auch Therapie. Golf ist sein eigenes süßes Gegengift, ein wohliges Lebenselixier, Charakterspiegel und Charakterschule. Nirgends sonst geht man so weite Wege für ein so winziges Ziel. Zehn Kilometer Weg für 18-mal einen Bierdeckel treffen. Lerneffekt: Mühe und Ausdauer lohnen. Nur beim Golf liegt das Ziel unter der Oberfläche. Analogien gibt es überall: Ständig Angst vor einem wichtigen Schlag, weil er schiefgehen könnte? Ich werde meinen Mut Neuem gegenüber hinterfragen müssen. Wer bockig aus tiefem Gras wütend den Ball herauszwingen will, kennt vielleicht auch im Leben seine Grenzen nicht.

Immer die richtige Balance finden, das passende Maß. Das geht bis zur diplomierten Küchenpsychologie: Meine Annäherungsschläge zum Grün sind schlecht. Hab ich Kontaktschwierigkeiten, Pro­ble­me, mich anderen zu nähern? Der US-Psychologe ­Michael ­Murphy schreibt: „Was diese Disziplin an Anmut, Fingerspitzengefühl, Kraft und Wissen vermittelt, wirkt sich auch auf euer ganzes Leben aus.“ Und weiter: „Golf ist ein Mi­kro­kos­mos der Welt, eine Projektion all unserer Hoffnungen und Wünsche, eine Odyssee von Loch zu Loch, von Abenteuer zu Abenteuer. Mal komisch, mal tragisch – eine Bühne, auf der das Drama unserer Selbsterfahrung optimal in Szene gesetzt wird.“ Ist das nicht wunderbar?

Na ja, neulich hatte ich den Ball so wunderbar profilike und nachgerade majestätisch aus gut 150 Metern über einen Teich gezaubert, er rollte sich glückstrunken noch etwas aus und lag, ja, optimal in Szene gesetzt, kaum mehr als einen Meter neben der Fahne. Euphorie, Glückwünsche der anderen. Ich kann es ja doch. Der Putt ging dann daneben. Wolke sieben – und abgestürzt. Zum Kotzen ist das. Scheiß Golf!

Aus dem Abc der Vorurteile heute C wie Caddie: „Hast du auch so einen Sklaven als Tascheschlepper?“ Wahr ist: Alle Professionals haben solch einen (sehr gut bezahlten) Helfer. Aufgabe im Hochkonzentrationssport Profigolf ist (neben dem Taschetragen) das Course-Management, sie wirken als Tippgeber, Ansprechpartner, Nervenberuhiger. Hobbygolfer tragen oder schieben selbst. Das Wort Caddie ist abgeleitet vom französischen le cadet, was so viel heißt wie Kadett, Jüngster. Früher verdienten sich Kinder oft ein Taschengeld mit dem Taschetragen, Bernhard Langer kam so zum Golf.

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Sohn des Ruhrgebiets, Jahrgang 1956, erfolgreich abgebrochenes VWL- und Publizistikstudium, schreibe seit 1984 für die taz – über Fußball, Golf, Hambacher Wald, Verkehrspolitik, mein heimliches Lieblingsland Belgien und andere wichtige Dinge. Lebe und arbeite als leidenschaftlich autoloser Radfahrer in Aachen. Seit 2021 organisiere und begleite ich taz-LeserInnenreisen hierher in die Euregio Maas/Rhein, in die Nordeifel und nach Belgien inkl. Brüssel. Bücher zuletzt: "Die Zahl 38.185" - Ein Fahrradroman zur Verkehrswende (2021). "Ach, Aachen!" - Textsammlung aus einer manchmal seltsamen Stadt (2022).

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