Aus das Haus

Am Sonntag schließt das Kunst- und Integrationsprojekt „Ausspann“ im Schnoor. Es fehlt Geld für die Miete und die Stadt will nicht einspringen. Eine Rettung ist noch nicht in Sicht

Der Ausspann im Schnoor schließt Foto: Abou Osman Mohamed

Von Lotta Drügemöller

Eine Fotoausstellung besuchen, Deutsch lernen, Spinat-Feta-Quiche essen oder malen und zeichnen – wer irgendetwas davon im Künstlerhaus „Ausspann“ machen möchte, der muss sich beeilen. Das Kunst- und Integrationsprojekt im Schnoor schließt am Sonntag. Ob es wirklich für immer ist oder ob es irgendwann weitergeht, das entscheidet sich im Januar.

Es fehlt schlicht an Geld. Die Unterfinanzierung sei zu hoch, man müsse das Projekt einstellen, teilten die Organisatoren Anfang dieser Woche mit. Zuvor hatte die Sozialbehörde einen Antrag auf Mietkostenzuschuss abgelehnt: 20.000 Euro für dieses Jahr sowie mehr als 60.000 Euro für 2020 hatte der Verein beantragt. Doch der Stadt fehlte es an „konzeptionellen Grundlagen“, es gebe „zurzeit leider keine Möglichkeit“, das Haus zu finanzieren, hieß es.

Über dreieinhalb Jahre haben Künstler und Gründer Ronald Philipps und sein Team jeden Monat neue Unterstützer gesucht, um die laufenden Kosten zu decken. Im Sommer bekam der neue Trägerverein des „Ausspann“ die Gemeinnützigkeit zugestanden – und damit eigentlich bessere Voraussetzungen, um Spenden zu sammeln. Doch dem Vernehmen nach ist die Organisation dem jungen Verein über den Kopf gewachsen. Nicht alle Fördertöpfe wurden ausgeschöpft, nicht alle Förderanträge pünktlich gestellt, Mietschulden sind aufgelaufen.

„Nach dreieinhalb Jahren ist sehr viel Kraft weg“, sagt Ruth Degenhardt. „Ich habe eine Sieben-Tage-Woche mit Zwölf-Stunden-Tagen – und trotzdem habe ich Termine mit Gerichtsvollziehern.“ Degenhardt hat das Projekt von Anfang an mit begleitet – sie ist Künstlerin, doch im „Ausspann“ leitet sie seit Jahren die Gastronomie. Während sie Besucher durchs Haus führt, fragt sie Gäste nach ihren Wünschen und räumt Schüsseln in den Schrank. „Entschuldigung für das Chaos. Wir hatten hier gestern ein Konzert.“

Das verwinkelte Haus von 1562 gehört zu den zehn ältesten Wohnhäusern Bremens. Über drei Etagen sind an allen Wänden Bilder zu sehen, in Nischen stehen Skulpturen und von den Decken hängen kleine Installationen. Es gibt die Möglichkeit, Vier-Gang-Menüs zu bestellen, aber es gibt auch den Tisch mit Wasserkrug und Teekanne, an dem sich jeder Gast einfach bedienen kann. „Wir haben schon genug Schwellen hier im Haus. Das Geld soll nicht auch noch eine sein“, sagt Degenhardt.

Das Konzept des „Ausspann“ war von Anfang an, Kunst, Gastronomie und Integration zu verbinden. Laut der Organisatoren nutzen etwa 250 Geflüchtete das Angebot regelmäßig. Viele besuchen einen der Kurse, andere kommen nur zum Teetrinken oder Lesen vorbei. „Wir haben mit unserem offenen Konzept Zugang zu Leuten, die sonst niemand erreicht“, so Degenhardt.

Gesehen wird das durchaus: 2018 wurde das „Ausspann“ mit dem Bremer Bürgerpreis ausgezeichnet. Etwa 100 Ehrenamtliche engagieren sich für Haus und Verein. Auch die Behörden sind voll des Lobes. „Eine solche zivilgesellschaftliche Initiative begrüßen wir ausdrücklich“, so die Sozialbehörde. Einzelne Angebote des Hauses wie die Sprachcafés könnten daher auch aus Integrationsmitteln gefördert werden. Dass das Projekt als Ganzes Geld bekommt, sei aber auch in Zukunft unwahrscheinlich. „Mittel zur dauerhaften Absicherung oder Grundfinanzierung einer Einrichtung“ stehen der Sozialbehörde laut Sprecher David Lukaßen nicht zur Verfügung.

Für das „Ausspann“ ist das ein Problem, denn die Fixkosten sind hoch. Ein Umzug könnte Geld sparen: Das Haus im Schnoor ist sehr gemütlich, sehr alt und sehr zentral – aber eben auch sehr teuer. 5.000 Euro warm kostet die Miete für das 340 Quadratmeter große Häuschen. Doch nicht nur Degenhard, die zu jedem Winkel des denkmalgeschützten Hauses eine Geschichte erzählen kann, würde einen Umzug bedauern. „Ich denke, viele freuen sich, dass es im Schnoor neben den touristischen Angeboten auch noch etwas anderes gibt“, so der grüne Bürgerschaftsabgeordnete Thomas Pörschke.

Im Januar, das steht jetzt schon fest, wird das Haus im Schnoor jedenfalls nicht öffnen. Hinter den Kulissen soll aber weiter organisiert und geredet werden. Pörschke zumindest glaubt, dass noch nichts verloren ist. Der Sprecher für ehrenamtliches Engagement seiner Fraktion ist beauftragt, im Januar mit dem Verein nach einer soliden Finanzierung zu suchen. Es soll Hilfe bei Förderanträgen geben, Fragen der Spendenakquise sollen geklärt werden.

Hoffnung liegt auch auf einem Förderantrag bei der Aktion Mensch, der noch offen ist. Und auch mit der Unterstützung für einzelne Angebote des Vereins ließe sich, so Pörschke, vielleicht noch mehr Geld für das Haus generieren. „Für einen Nachruf auf den ‚Ausspann‘ ist es definitiv zu früh.“