Überleben in der Nische

BUCHHANDEL Der Hamburger Buchladen Männerschwarm hat sich auf homosexuelle Kunden spezialisiert. In Norddeutschland ist er der einzige seiner Art – und dank eines angegliederten Verlages gut aufgestellt

„Die Kunden fühlen sich von einem Schwulen oder einer Lesbe hinsichtlich der einschlägigen Literatur besser beraten“

Hans-Jürgen Köster, Buchhändler

VON ALICE WINKLER

In der Langen Reihe in Hamburg-St. Georg pulsiert das Leben. Man hält Klönschnack, trinkt Latte macchiato, bekommt von St. Georgs schwuler Community neue Leder-Outfits vorgeführt oder ist einfach nur ungeheuer hip. Betritt man den Buchladen Männerschwarm, wird es ruhig. Aus altbackenen roten Lampenschirmen fällt warmes Licht auf Tische aus dunklem Holz. In der Ecke stehen Stühle und Kaffee für die Schmöckernden bereit. Es ist ganz anders als in den großen Buchhandlungen, die den Kleinen das Überleben schwer machen. Altmodischer und gemütlicher.

Der Männerschwarm ist einer von nur noch drei schwulen Buchläden in Deutschland – die beiden anderen sind in Berlin und Frankfurt. Anspruch der Männerschwärmer war schon bei der Eröffnung ihres Ladens 1981, den Schwulen in Hamburg ein möglichst umfassendes Angebot zum Thema Homosexualität zu präsentieren. „Das Überleben für einen Nischenbuchladen ist schon in der Stadt schwer genug, auf dem Land allerdings wäre das undenkbar,“ sagt Hans-Jürgen Köster, der seit 1986 im Männerschwarm arbeitet.

„Dass der Männerschwarm auch zum Anlaufpunkt für Lesben wurde, war zunächst aus der Not geboren“, sagt Köster. In den Frauenbuchläden der 80er-Jahre, die meist von überzeugten Feministinnen geführt wurden, war man der Ansicht, Pornografie sei zuvorderst Ausdruck männlicher Kultur. Also war Pornografie aller Art verpönt, ebenso die Frage danach. Deshalb wandten sich Kundinnen auf der Suche nach selbstbestimmter, weiblicher Pornografie an die schwulen Buchhändler.

Im Männerschwarm ist Jenny deren Ansprechpartnerin. Sie ist homosexuell, ebenso wie Köster, der sagt: „Wir haben schon die Erfahrung gemacht, dass die Kunden sich von einem Schwulen oder einer Lesbe hinsichtlich der einschlägigen Literatur besser beraten fühlen.“

Man darf die Buchhandlung zwar erst ab 18 Jahren betreten, trotzdem wird dort keineswegs nur explizite Literatur verkauft. Die Maxime lautet: „Von Proust bis Porno.“ Auch Herta Müller, Thomas Mann und Jodi Picoult finden sich in den Regalen. „So verwunderlich das auf den ersten Blick erscheinen mag, eint doch alle Bücher im Laden der schwule oder lesbische Bezug“, sagt Köster. „Auch wenn diese Tatsache in den Feuilletons oft keine Beachtung findet.“

Der Männerschwarm ist aber nicht nur ein Buchladen, sondern auch ein Verlag. Seine Gründung verdankt der dem Comic „Bullenklöten“ von Ralf König: Auf einer Party kamen die Buchhändler mit dem Comic-Künstler ins Gespräch, der zu diesem Zeitpunkt bereits „Der bewegte Mann“ im Rowohlt-Verlag veröffentlicht – und damit einen Bestseller gelandet hatte. Allerdings vermisste er bei Rowohlt die Möglichkeit, so direkt und subversiv zu Werke gehen zu können, wie er es aus seinen Anfängen als Chronist der Schwulenszene Deutschlands gewohnt war.

Nachdem König den Männerschwärmern von seinem geplanten Buch „Bullenklöten“ erzählt hatte, war man sich schnell einig: „Das veröffentlichen wir einfach selbst.“ So beschloss der Buchladen, zunächst 5.000 Bücher in Eigenregie zu drucken. Schon vor Erscheinen des Buches waren mehr als 10.000 Bestellungen eingegangen, und die Auflage kletterte im ersten Jahr auf 50.000 Exemplare.

Obwohl man aus dem Erlös 100.000 Mark an Aidspflegeeinrichtungen spendete, war immer noch Geld übrig: „Also haben wir uns dazu entschlossen, einen eigenen Verlag zu gründen.“ Dessen Geschäftsführer wurde der Journalist Detlef Grumbach.

„Wir produzieren Bücher sowohl eindeutigen schwulen Inhalts als auch solche, die hohen literarischen oder wissenschaftlichen Ansprüchen genügen und für ein breites Publikum gemacht sind“, sagt Grumbach. „Bullenklöten“ ist inzwischen zum Klassiker mutiert. Beim Verlag läuft es denkbar rund.

Schwieriger ist es für den Buchladen. Köster bereitet Kopfzerbrechen, dass das junge Publikum immer weniger gedruckte Bücher lese. Viel Wissen werde nur noch über den Bildschirm konsumiert. „Der Verlag kann dem mit E-Books entgegenwirken, aber wir merken deutlich, dass es mit den Jahren immer schwieriger wird.“