Streit um Rentenreform in Frankreich: Monsieur Rente muss in Rente

Seit Tagen demonstrieren Menschen in Frankreich gegen die geplante Rentenreform. Nun ist ihr „Vater“ über einen Transparenzskandal gestolpert.

Ein Mann gestikuliert

Macrons „Rentenkommissar“ Jean-Paul Delevoye Foto: Benoit Tessier/reuters

PARIS taz | Im Konflikt um die Rentenreform in Frankreich könnten die Streiks vor allem im öffentlichen Verkehr bis Jahresende andauern oder sich sogar noch ausweiten. Denn keine der beiden Seiten will bisher nachgeben. Für die VerbraucherInnen bedeutet dies weitere Tage mit endlosen Wartezeiten und hoffnungslos überfüllten Zügen und Bussen, blank liegenden Nerven und Schwierigkeiten, eine Kinderbetreuung zu finden.

Die Staatsführung und Gewerkschaftsverbände schieben sich gegenseitig die Schuld für die Misere in die Schuhe. Die Staatsführung ist jetzt zusätzlich geschwächt, weil Jean-Paul Delevoye, der als Regierungsmitglied diese Reform erklären, verteidigen und verkörpern sollte, sich durch Intransparenz und den Verdacht von Interessenkonflikten selbst diskreditiert hat.

Als er bei seiner Nominierung als Hoher Kommissars für die Rentenreform vor etwas mehr als drei Monaten die obligatorische Erklärung seiner Beteiligungen und Mandate ausfüllte, „vergaß“ er, wie Le Monde enthüllte, 11 von 13 Posten und Nebenjobs anzugeben.

5.000-Euro-Nebenjob „vergessen“

Einer davon wurde mit mehr als 5.000 Euro monatlich bezahlt. Obwohl es Regierungsmitgliedern verboten ist, neben ihrem Gehalt als Minister oder Staatssekretär Honorare zu beziehen. Zudem stand eine andere ehrenamtliche Aufgabe in direkter Beziehung zu den Versicherungen, die im Rentenkonflikt parteiisch sind. Am Montag reichte der 72-Jährige seinen Rücktritt ein.

Der ändert aber am Konflikt wenig. Eine Besserung zeichnet sich schon deshalb nicht ab, weil ab diesem Montag die Verbände der Lkw-Fahrer das bereits sehr angespannte Klima nutzen wollen, um Lohnerhöhungen und bessere Arbeitsbedingungen für sich durchzusetzen.

Jetzt eskalieren die LKW-Fahrer

Sie blockieren dazu in verschiedenen Regionen mit ihren Brummern Autobahnen. Das sorgt für noch mehr Verkehrsprobleme und gefährdet den Nachschub der Geschäfte und die Auslieferung der Weihnachtspakete.

Dass sie während der Festtage wegen des Bahnstreiks nicht zu ihren Verwandten oder in Urlaub reisen können, ist für zahlreiche Familien eine trostlose Aussicht und erhöht den Druck auf die Konfliktparteien. Die Regierung ersucht die Gewerkschaften um einen „Waffenstillstand“. Doch diese antworten nur, die Staatsführung könne mit dem Verzicht auf ihre Reform die Züge sofort wieder ins Rollen bringen.

Premierminister Édouard Philippe ist es in der letzten Woche nicht gelungen, seine Landsleute mehrheitlich von den Vorteilen der Reformpläne zu überzeugen. Die sehen neben einer Vereinheitlichung der Rentenkassen eine umfassende Reorganisation mit einem Punktesystem zur Berechnung der Altersrente aufgrund der gesamten Tätigkeit (und nicht der besten 25 Jahre im Privatsektor und der letzten sechs Monate im öffentlichen Dienst) sowie eine Erhöhung des gesetzlichen Rentenalters von heute 62 auf 64 vor.

Aktionstag jetzt auch mit gemäßigter Gewerkschaft CFDT

Diese letzte Maßnahme zum Kostenausgleich hat dazu geführt, dass nun auch die sonst in Sachen Rentenreform sehr kooperative CFDT sich dem Widerstand anschließt und zum Aktionstag am 17. Dezember aufruft. Deshalb dürften dann noch mehr Leute auf die Straße gehen als am 5. Dezember, als mehr als eine Million Menschen demonstrierten.

Präsident Emmanuel Macron hält sich derweil auf Distanz. Er behält sich so die Möglichkeit vor, später schlichtend zu intervenieren, obschon die Idee eines vereinheitlichten Rentensystems von ihm stammt und nicht von Premier Philippe. Doch den kann der Staatschef in dem Konflikt gegebenenfalls opfern.

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