Den Wald vor lauter Bäumen …

In der Generaldebatte zum Haushalt bleibt die Opposition blass. Rot-Rot-Grün lobt sich unter anderem für die eigene Ökopolitik

Da machen sich sogar die Konservativen Sorgen: Straßenbaum in Berlin Foto: Erik Irmer

Von Bert Schulz

Mein Freund, der Baum – er lebt. Zumindest im Abgeordnetenhaus an diesem Donnerstag. So intensiv wie selten zuvor beschäftigen sich die Abgeordneten mit diesem Symbol für Leben und Überleben. Dabei ist eigentlich die zentrale Haushaltsdebatte angesetzt, die stets zur Generalabrechnung der Opposition mit der Regierung genutzt wird.

Eingepackt in das 63 Milliarden Euro schwere Doppelhaushaltspaket ist auch das „mutigste Öko-Paket aller Zeiten“, wie Antje Kapek, grüne Fraktionschefin, in ihrer Rede betont. Das Budget für die Straßenbäume werde verdoppelt, von 40 auf 80 Euro pro Baum, damit sie „erstmals“ so gepflegt werden können, dass sie nach Rekordhitze und Stürmen „nicht sofort gefällt werden müssen“. Zuvor hat sich schon CDU-Fraktionschef Burkard Dregger um die Stadtbäume gesorgt – deren Bestand habe sich unter Rot-Rot-Grün „dramatisch reduziert“. Und sein Ebenpart bei der FDP, Sebastian Czaja, beginnt gar seine Rede mit den Bäumen.

Nun könnte man sagen: Ist doch super, dass sich selbst konservative Parteien so um die Natur sorgen. Man sollte aber auch fragen: Gibt es nichts Wichtigeres in dieser immer wieder als mögliche „Sternstunde des Parlaments“ angekündigten Debatte?

Tatsächlich wird das anfängliche Diktum von SPD-Fraktionschef Raed Saleh, die Opposition befinde sich seit drei Jahren im Tiefschlaf, in der zweieinhalbstündigen Debatte intensivst bestätigt. Lediglich einige alte weiße Männer auf den Oppositionsbänken fallen zu Beginn noch mit feisten Schenkelklopfern wie aus den 1950er Jahren negativ auf. Ansonsten rührt sich auf der rechten Seite wenig.

Dregger verheddert sich in Widersprüche, als er dem Regierenden Bürgermeister Michael Müller (SPD) einerseits vorwirft, beim Mietendeckel würde dieser sehenden Auges in eine juristische Niederlage laufen; andererseits, er würde Judenhasser am Al-Kuds-Tag laufen lassen, weil er dagegen nicht juristisch vorgehe. „Zugucken ist schlimmer, als mal von einem Gericht korrigiert zu werden.“

FDP-Redner Czaja versucht sich erfolglos an einer intellektuellen Analyse, die jede Leidenschaft vermissen lässt. Und AfD-Chef Georg Pazderski malt tatsächlich eine DDR 2.0 als Schreckensszenario und spricht menschenverachtend von einer Koalition, die sich „dem Wahn eines 16-jährigen schwedischen Mädchens“ unterwerfen würde.

So kann Rot-Rot-Grün weitgehend unwidersprochen mal vom Dreiklang der Ziele aus „solidarischer, nachhaltiger und bezahlbarer Stadt“ sprechen, mal von vier Offensiven, nämlich der „Verkehrsoffensive, Schulbauoffensive, Wohnungsbauoffensive und Klimaoffensive“ (Kapek). Linken-Fraktionschef Udo Wolf betont die sozialen Anstrengungen der Koalition etwa mit dem Mietendeckel, dem Kampf gegen Obdachlosigkeit und für faire Bezahlung der Landesangestellten.

Michael Müller schließlich, der zum Abschluss ans Rednerpult tritt, kann noch mal die rund 5.000 zusätzlichen Stellen feiern, die mit dem Doppelhaushalt auf Landes- und Bezirksebene geschaffen werden. Bäume erwähnt er nicht.