USA stürzen die WTO in ihre tiefste Krise

Die Streitschlichtung funktioniert nicht mehr, weil die USA die Ernennung neuer Richter blockieren

Von Felix Lee

Mit seinen Alleingängen, etwa bei Strafzöllen gegen China, die EU und andere Handelspartner, hat US-Präsident Donald Trump bereits mehrfach bewiesen, was er von internationalen Vereinbarungen hält: nichts. Nun ist er dabei, auch der Welthandelsorganisation (WTO) erheblichen Schaden zuzufügen.

Die USA haben die Ernennung neuer Berufungsrichter für die Streitschlichtung bei internationalen Handelskonflikten blockiert und damit eine der größten Errungenschaften der WTO ausgehebelt. Seit Mittwoch ist das Gremium zur Streitschlichtung nicht mehr handlungsfähig. Handelsdispute können damit nun nicht mehr geordnet beigelegt werden.

Für jedes Berufungsverfahren sind mindestens drei der normalerweise sieben Richter nötig. Seit Jahren verhindern die USA aber die Nachbesetzung, indem sie stets ihr Veto einlegen. In der Nacht zu Mittwoch sind schließlich die Mandate des Inders Ujal Singh Bhatia und des Amerikaners Thomas R. Graham ausgelaufen. Als einzige Richterin ist noch die Chinesin Hong Zhao im Amt. Sie allein kann aber keine Berufungen anhören. Damit haben die USA die WTO in ihre schwerste Krise in der fast 25-jährigen Geschichte gestürzt.

Die USA begründen ihre Blockade-Haltung damit, dass sie seit Jahren nicht nur das Schlichtungsverfahren bei Handelskonflikten für reformbedürftig halten, sondern die WTO insgesamt. Sie werfen der Welthandelsorganisation und deren Richtern Politisierung, Mandatsüberschreitung und eine benachteiligende Rechtsprechung vor. Gegenüber chinesischen Staatsunternehmen auf den internationalen Märkten würde die WTO hingegen oft nachsichtig sein.

Die US-Regierung steht mit ihrer Kritik an der Welthandelsorganisation keineswegs allein da. Auch Ökonomen monieren, dass die Verfahrensregeln nicht mehr zeitgemäß sind. „Das ist ein sehr juristisches Gremium, da geht es sehr wenig um ökonomische Fragen“, kritisiert Gabriel Felbermayr, Leiter des Instituts für Weltwirtschaft (IfW) in Kiel. Zudem seien einige der Methoden der Schlichter intransparent und qualitativ nicht auf der Höhe der Zeit. „Das ist schon auch eine Krise der WTO, die es nicht geschafft hat, sich zu reformieren und zu erneuern.“

Die Bundesregierung bedauert die Entwicklung. Die WTO sei das zentrale Instrument für einen regelbasierten Welthandel, hieß es. „Für die Unternehmen und unsere gesamte Volkswirtschaft steht viel auf dem Spiel“, warnte der Präsident des Deutschen Industrie- und Handelskammertags (DIHK), Eric Schweitzer.

Während Politiker und Industrieverbände vor neuen Handelskriegen warnen, hofft WTO-Generaldirektor Roberto Azevêdo auf einen Ruck durch den Schock: Womöglich rüttele das die 164 Mitglieder auf, sich engagierter als vorher für Reformen einzusetzen. Trump hat jedoch angedeutet, dass es ihm gar nicht um eine Reform der WTO geht, sondern um deren Abschaffung.

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