Rassistische Schmähungen im Fußball: Doppelte Missachtung

Was Rassismus ist, weiß die italienische Zeitung „Corriere dello Sport“ besser als die Opfer. Dafür wird sie nun heftig kritisiert.

Lukaku jubelt nach einem Treffer

Opfer rassistischer Wortspiele: Stürmer Lukaku spricht von der „dümmsten Überschrift“ Foto: reuters

Hoho. Die italienische Sportzeitung Corriere dello Sport hat jüngst, als und weil im Einzelhandel der Schnäppchenfreitag anstand und weil sie auf das Spitzenspiel der Serie A zwischen Inter Mailand und AS Roma hinweisen wollte, „Black Friday“ getitelt. Zu sehen waren der Roma-Profi Chris Smalling und der Inter-Profi Romelu Lukaku, beide Fußballer mit schwarzer Hautfarbe. Sollte halt ein lustiges Sprachspiel sein. Hoho.

Lukaku, einer der zwei abgebildeten Profis, kommentierte bei Instagram: „Ihr Typen befeuert das Negative und das Thema Rassismus“, das Wortspiel sei die „dümmste Überschrift, die ich in meiner Karriere je gesehen habe“. Sein Kollege Smalling schrieb auf Twitter, das Cover des Corriere dello Sport sei „falsch und höchst taktlos“.

Nö, nö, nix Rassismus, wehrte sich die Redaktion, die beiden seien doch auf vielen Ebenen vergleichbar: Beide waren sie früher bei Manchester United, beide wehrten sich dort und in Italien gegen Rassismus und befreundet seien sie doch auch. Die doch wesentlich näher liegende Assoziation, dass hier zwei Menschen zum Billigverkauf angeboten werden, eine Anspielung auf Sklaverei, wollen die Blattmacher auch nach längerer gesellschaftlicher Debatte über ihren Titel nicht erkennen.

Nee, nä? Es ist die Leier, die immer zu hören ist, wenn Leute bei etwas zu überdeutlichem Rassismus erwischt werden: „Wir doch nicht“, heißt es, denn als Rassist möchte ja keiner gelten. Oder mit „Die sind garantiert keine Rassisten“ wird den Ertappten zur Seite gesprungen, denn „das hätten wir ja bemerkt“. Ähnliche Phänomene gibt es auch bei anderen Unterdrückungsideologien, seien es Homophobie, Sexismus, Antiziganismus oder Antisemitismus. Auch da würde der jeweils „eigentliche“ Hass ja immer von der Mehrheitsgesellschaft sofort bemerkt. Weiß man ja.

Woher dieses Selbstbewusstsein rührt, sich selbst als sensibler Experte für Sachen zu bezeichnen, von denen man nichts weiß und die man nicht einmal dann bemerkt, wenn sie nicht zu übersehen oder zu überhören sind, ist eine spannende Frage. Es geht einher mit der festen Überzeugung, mehr davon zu wissen als die, die gemeint sind.

Arrogante Selbstsicht

Das ist das Besondere dieses so schrägen Diskurses über Rassismus, gerade im Fußball: Dass die Stellungnahmen derer, die da geschmäht wurden, nichts gelten sollen, weil ja die Horde selbst ernannter – und selbstverständlich weißer – neu­traler Experten um die Ecke kommt, die wissen, dass sich die Schwarzen „nicht so haben sollen“, dass da ganz „viel Hysterie“ im Spiel ist, dass die ja alle „überempfindlich“ sind et cetera.

Gerade im Fußball kommt gern noch die besonders arrogante Selbstsicht europäischer Eliten hinzu: Fußballer seien ja eh nicht allzu helle und sollten folglich bei der Erörterung einer so diffizilen Frage wie der, ob etwas rassistisch ist, nicht mitreden. Das gilt allgemein für Fußballer, noch mehr für Kicker aus gesellschaftlichen Minderheiten, und wenn deren Wurzeln noch aus Europa wegweisen, sollen die doch eh ihren Mund halten. Romelu Lukaku ist gebürtiger Belgier aus Antwerpen, Chris Smalling ein Engländer aus London, „aber“, wird der gebildete Rassist rufen, des einen Eltern kommen aus Zaire, der andere hat jamaikanische Vorfahren.

Rassismus hält sich gerade deswegen im Fußball so lange – und kommt sich selbst dabei so schrecklich unschuldig und unrassistisch vor –, weil er sich einer doppelten Missachtung bedient: Diskriminiert werden die, für die Herrenmenschen dereinst die Kategorie „Rasse“ erfunden haben. Zudem werden die verächtlich behandelt, denen sich diese Elite intellektuell überlegen wähnt.

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Jahrgang 1964, Mitarbeiter des taz-Sports schon seit 1989, beschäftigt sich vor allem mit Fußball, Boxen, Sportpolitik, -soziologie und -geschichte

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