heute in hamburg
: „Das Leben ist auch mit Arbeit scheiße“

Lia Heumarkt, 26, ist Mitglied der antiautoritären und kommunistischen Gruppe „in Erwägung“, hat mal etwas mit Sozialwissenschaften studiert und heißt in Wirklichkeit anders.

Interview Katharina Gebauer

taz: Frau Heumarkt, arbeiten Sie?

Lia Heumarkt: Gerade arbeite ich nicht.

Wovon lebt man, wenn man nicht arbeiten geht?

Man kann Leistungen vom Staat beziehen, wie etwa Hartz IV. Die Gesetze sind in Deutschland aber so angelegt, dass es sehr ungemütlich für diejenigen wird, die in diesen Verhältnissen leben. Der Gesetzgeber belegt Hartz IV etwa mit Sanktionen, damit man schnell wieder eine Arbeit sucht.

Sozialhilfe ist besser als arbeiten?

Im derzeitigen System ist das Leben auch ohne Arbeit scheiße. Arbeit bedeutet grundsätzlich Zwang. Der vermeintliche Ort der Mitbestimmung und Selbstverwirklichung ist einfach ein langer Tag, an dem du tun musst, was dein Chef von dir verlangt. Der Job beeinflusst das Leben kontinuierlich und lenkt uns davon ab, darüber nachzudenken, wie wir eigentlich zusammen leben könnten, sei es die Bedürfnisbefriedigung oder wie wir soziale Beziehungen führen.

Gehört zu einem selbstbestimmten Leben nicht auch Arbeit dazu und die Mittel, sich dieses zu finanzieren?

Aber die Arbeit an sich ist dadurch das Leben – und zwar völlig fremdbestimmt. Der Boss hat dir gegenüber eine Weisungsbefugnis und um über die Runden zu kommen, schluckt man das. Wenn nicht, wird man zwangsläufig gefeuert.

Kapitalismus verspricht: keine ständige Zukunftsangst, erdrückende Langeweile und entfremdete soziale Beziehungen. Kann genau das nicht auch ohne Arbeit passieren?

Die Arbeitskraft ist im kapitalistischen System eine Ware. Wenn ich nicht arbeite, habe ich ja plötzlich kein anderes Verhältnis zu mir selbst oder der Gesellschaft. Solange dieses System nicht abgeschafft wird, ist vorbestimmt, wie man denkt und handelt. Wie viel Zeit, wie viel Geld man hat und welche Leute man trifft.

Was wäre die Alternative?

In der befreiten Gesellschaft könnten wir die Arbeit reduzieren, der technische Fortschritt könnte uns die Verbrauchsgüter produzieren, die wir brauchen. Das ist ja auch das alte kommunistische Versprechen, die Gesellschaft ohne Herrschaft, dafür demokratische Mitbestimmung und Bedürfnisbefriedigung.

Vortrag „Warum dein Leben auch mit Arbeit scheiße ist – Eine Einführung in die Kapitalismuskritik“: 18 Uhr, Universität Hamburg, T-Stube, Pferdestall, Allende-Platz 1