Indian Summer in Brandenburg

Umweltexperten fordern den Waldumbau, um für den Klimawandel besser gerüstet zu sein. Dietrich Henke vom Forstamt Treuenbrietzen macht vor, wie es geht

„Alles Stange. Nur eine Baumart und alle gleich groß“

Dietrich Henke, Förster

Von Ulrike Wiebrecht

Da stehen sie kerzengerade in Reih und Glied wie Soldaten in einer Armee: Die Kiefernwälder gehören zum vertrauten Bild in Brandenburg wie Kartoffeläcker, Flüsse und Seen. Gepflanzt wurden sie im 20. Jahrhundert, um möglichst schnell viel Holz für die Möbelindustrie im In- und Ausland zu erwirtschaften. So entstand eine Monokultur, die ziemlich langweilig aussieht. Dass Spaziergänger und Wanderer nur wenig Freude an ihnen haben, ist das eine. Das andere ist, dass die Kiefernwälder angesichts des Klimawandels wenig Überlebenschancen haben. Mal lässt der Orkan Kyrill sie 2007 reihenweise umknicken, dann raffen schwere Waldbrände etliche Hektar dahin.

Dagegen hilft Fachleuchten zufolge nur konsequenter Waldumbau. Weg von Monokulturen hin zu einem artenreichen Mischwald. Dieser Prozess kommt in Brandenburg nur langsam voran. Ganz anders bei der Methode des Försters Dietrich Henke in Treuenbrietzen.

Seit 17 Jahren arbeitet der gebürtige Niedersachse im Forstamt von Treuenbrietzen im Naturpark Nuthe-Nieplitz und betreut dort 1.900 Hektar Stadtwald. Sein Rezept: kein Kahlschlag, Bestandsbegründung mit Baumarten der potenziell natürlichen Waldgesellschaft, Anpassung der Wildpopulation, bodenschonender Einsatz von Maschinen, Verzicht auf Chemie, Anlage eines Rückgassensystems. Es klingt kompliziert. Aber wenn man sich den Wald rings um Frohnsdorf ansieht, wird es plausibel. Wobei schon nach ein paar Metern klar wird: Den Wald gibt es nicht. Selbst wenn überall Kiefern stehen, kann er ganz unterschiedlich aussehen.

„Hier ist zum Beispiel alles Stange. Nur eine Baumart und alle gleich groß“, sagt Henke und deutet auf ein Stück Wald, wo es zappenduster aussieht. Der Boden unter den nackten Kiefern ist braun, es kommt kein bisschen Grün zum Vorschein. Aber dann folgt ein Waldstück, wo Licht durch die Kiefern fällt. Unter den Kiefern sprießen lauter kleine Bäumchen aus dem Boden. „Da verjüngt sich der Wald“, erklärt der Fachmann. „Eiche, Buchen, Birken, Kiefer, alle möglichen Baumarten haben sich hier verjüngt. Und zwar an einem armen Standort, den wir hier ja haben.“

Während im hellen Bereich junge Bäume besser aufwachsen können, lässt er dunkle Bereiche für den Eichelhäher stehen. „Der legt dort eher Eicheln ein als in lichtere Bereiche, wo Habicht und Sperber auf ihn lauern“, lautet die Erklärung. Wo die Hähersaat aufgegangen ist, setzt die Behandlung des Försters ein: „Ich sehe aufkommende Verjüngung und fange schon frühzeitig an, sie zu bevorteilen, indem ich ihr Licht gebe“, sagt er.

Früher habe man nur nach oben geguckt, ob das Holz zuwächst und dementsprechend gelichtet. Heute müsse man auch mal schauen, was unten wächst, um den Waldumbau zu initiieren. Dabei schafft Henke abwechselnd Licht- und Dunkelbereiche. Durch den Wechsel von hellen und dunklen Bereichen, in denen der Vogel immer wieder neu pflanzt, entsteht mit der Zeit das, was Henke einen „strukturierten Wald“ nennt, mit Unter-, Zwischen- und Oberstand. Wo Bäume verschiedener Arten in unterschiedlichen Höhen wachsen. Vielfalt eben. Und die gibt dann im Herbst schon mal ein Bild ab, das an den Indian Summer ganz anderer Gefilde erinnert.

Allerdings passiert das nur unter einer Voraussetzung: Es darf nicht zu viel Wild geben. Genau daran scheitert der Waldumbau vielerorts. Für die Rehe stellen die jungen Haupttriebe der Bäume einen besonderen Leckerbissen dar und sie fressen sie ab, noch ehe sich der Baum entwickeln kann. Jäger legen wiederum Wert auf einen großen Wildbestand, damit sie genug Hirsche zum Schießen haben. So wird auf vielen Waldflächen pro 100 Hektar nur zwischen zwei und vier Stück Schalenwild abgeschossen. Bei Henke liegt die Quote wesentlich höher. „Wir schießen hier bis zu 24 Stück, zurzeit bin ich bei 12 bis 14. Der Wolf will auch seinen Teil. Der hilft mir“, sagt der Förster.

Und die Rechnung scheint aufzugehen. Als wir zu einem privaten Waldstück kommen, sehen wir lauter junge Eichen wachsen. „Na, was fällt hier auf?“, fragt der Experte und gibt die Antwort gleich selbst: „Kein Zaun!“ Wenn in den angrenzenden Flächen gejagt wird, braucht auch der private Waldbesitzer sein Grundstück nicht schützen, spart sich den teuren Zaun, und die Bäume wachsen trotzdem.

Aber dann kommen wir zu Stellen, wo es ganz kahl ist. Hier wurde nach dem schweren Brand von 2018 alles abgeholzt und neu bepflanzt. Von solchem Kahlschlag hält der Fachmann nichts. Stattdessen wendet er auch auf solche Gebiete seine Prinzipien des Waldumbaus an. Er setzt Gassen ein und handelt mit Saat, die stabiler sei als eine von der Baumschule erworbene Pflanze. Denn die müsste sich mit ihren Wurzeln erst an den Standort gewöhnen, sei aber bei den derzeitigen Verhältnissen mit Dürre und wenig Niederschlägen hohen Belastungen ausgesetzt. Aus Samen gekeimte Pflanzen hätten sich dagegen an die Umgebung bereits gewöhnt. Im Übrigen können sie auf den Brandböden besonders gut keimen.

„Dort, wo der ganze Rohhumus runtergebrannt ist – zum Beispiel Reste von Nadeln oder Laub – und der reine Mineralboden mit fruchtbaren Humusanteilen übrigbleibt, braucht man den Samen nur auflegen und er keimt“, sagt Henke. Deshalb hat er dazu aufgerufen, Eicheln zu sammeln, um anschließend mit Studenten der Hochschule in Eberswalde um die 2,8 Tonnen auszubringen. Im Übrigen schlägt er die verkohlten Bäume nicht großflächig ab. Nur die dünnen Stämme holt er raus: „Das, was tot ist und umfällt, zersetzt sich und speichert sich im Boden. Das ist eine Biomassenanreicherung des Bodens. Und die Anreicherung des Bodens und der Vegetation ist ja das, was die Umweltverbände fordern.“

Das Argument, dass die toten Bäume vom Prachtkäfer befallen werden und der dann auch auf nicht verbrannten Wald übergreift, lässt er nicht gelten. Er zeigt ein Stück verbrannten Wald, wo alles vom Prachtkäfer befallen ist. „Aber am Rand habe ich Licht gemacht. Und wenn wir jetzt in den stabilen grünen Bereich kommen, ist nicht eine Kiefer befallen.“ Eine gesunde Kiefer sei nämlich in der Lage, den Käfer durch Harz auszuschwemmen. Zum Teil experimentiert er auch mit Roteichen, Pappeln oder Robinien, die sich nach Bränden schnell ausbreiten. Oder er pflügt den Boden an einer Stelle und an anderer wiederum nicht. Das sei hier eben wie ein Freiluftlabor, wo er mit seinen Mitarbeitern alles Mögliche ausprobiert, um den Forstleuten einen Weg für die Zukunft zu weisen. Denn Situationen wie diese mit Bränden werde es noch häufiger geben.

Dann können die Brände beim Waldumbau sogar helfen?

„Wirtschaftlich gesehen natürlich nicht“, winkt der Experte ab. „Aber langfristig erzeugen wir damit stabile, robuste Wälder. Kurzfristig habe ich dagegen einen Schaden von zwei Millionen.“ Doch selbst ein Sturm wie Kyrill habe in gewisser Hinsicht beim Waldumbau geholfen, indem er den Oberstand weggerissen und den Wald gelichtet hat. Dadurch hätten sich Strukturen herausgebildet, die nachfolgenden Stürmen besser standgehalten haben.

Es geht also. Und selbst Wetterkatastrophen kann man sich für einen mittelfristigen Waldumbau zunutze machen.