Aberkennung der VVN-Gemeinnützigkeit: Antifaschistische Solidarität

Zahlreiche Organisationen und Einzelpersonen zeigen sich empört über den Entzug der Gemeinnützigkeit für die antifaschistische Organisation.

Aktivisten der VVN mit Transparent auf der #unteilbar-Demonstration am 13. Oktober 2018 in Berlin

„Grenzenlose Solidarität!“ – die VVN auf der #unteilbar-Demo am 13. Oktober 2018 in Berlin Foto: Pascal Beucker

BERLIN taz | Unter der Überschrift „Antifaschismus ist gemeinnützig: Unser Einsatz für eine solidarische Gesellschaft ist unteilbar!“ protestieren zahlreiche Organisationen und Einzelpersonen gegen die Aberkennung der Gemeinnützigkeit für die Bundesvereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten (VVN-BdA) durch das Berliner Finanzamt. „Wir sind beschämt, dass die Ausschwitz-Überlebende und heutige Ehrenvorsitzende der VVN-BdA Esther Bejarano diese Entscheidung erleben muss“, heißt es in ihrer am Donnerstag veröffentlichten Erklärung.

Zu den Erstunterzeichnern gehören unter anderem der DGB-Vorsitzende Reiner Hoffmann, Ex-Regierungssprecher Uwe-Karsten Heye, die Komponistin und Sängerin Inga Humpe, der Pianist Igor Levit, der Schriftsteller Saša Stanišić, die Journalistin Hatice Akyün sowie Ulrich Schneider, Hauptgeschäftsführer des Paritätischen Gesamtverbands. Der Kampf gegen Faschismus sei unteilbar, schreiben sie. „Darum sind wir solidarisch mit der VVN-BdA.“ Das Vorgehen der Berliner Finanzverwaltung verurteilten sie „aufs Schärfste“.

Am Freitag vergangener Woche hatte die VVN-BdA bekannt gemacht, dass ihr die Gemeinnützigkeit rückwirkend für die vergangenen drei Jahre aberkannt wurde. Damit sieht sich die 1947 gegründete überparteiliche Organisation in ihrer Existenz bedroht. Denn mit der Aberkennung seien „vorerst Steuernachforderungen in fünfstelliger Höhe“ verbunden, die noch in diesem Jahr fällig würden. „Weitere erhebliche Nachforderungen sind zu erwarten und auch zukünftig drohen wesentlich höhere steuerliche Belastungen“, schrieb die VVN-BdA in einer Mitteilung.

Grund für die Entziehung der Gemeinnützigkeit ist nach Angaben der Vereinigung die Erwähnung im Landesverfassungsschutzbericht Bayerns. Darin wird die VVN-BdA als „bundesweit größte linksextremistisch beeinflusste Organisation im Bereich des Antifaschismus“ bezeichnet. Die VVN-BdA hat in den vergangenen Jahren immer wieder vergeblich gegen die aus ihrer Sicht infame Nennung geklagt. Sie spricht von „haltlosen Unterstellungen“, die sich nun das Berliner Finanzamt ungeprüft zu eigen gemacht habe.

Insbesondere bei den wenigen noch lebenden VVN-Gründungsmitgliedern sorgt die Berliner Entscheidung für heftige Empörung. Die Aberkennung der Gemeinnützigkeit sei „eine Verhöhnung der Überlebenden des Naziterrors und ihrer Angehörigen“, protestiert der Theresienstadt-Überlebende Ernst Grube. Er appelliere „an alle Menschen, denen die Erinnerung an die Naziverbrechen und der Schutz der Menschenwürde heute wichtig ist“, sich dafür zu engagieren, dass Antifaschismus in der Bundesrepublik nicht länger diffamiert und behindert wird.

Aufruf zur Solidarität

In einem Aufruf unter der Überschrift „Wir brauchen eure Solidarität“ schreibt der 86-jährige Grube, er bekräftige „jede Zeile des Briefes von Esther Bejarano“. Die 94-Jährige hatte als Überlebende von Auschwitz und Ehrenvorsitzende der VVN-BdA in einem offenen Brief ihr völliges Unverständnis darüber artikuliert, dass „eine Steuerbehörde über die Existenzmöglichkeit einer Vereinigung von Überlebenden der Naziverbrechen“ befinden könne. Nie habe sie sich „vorstellen können, dass die Gemeinnützigkeit unserer Arbeit angezweifelt oder uns abgesprochen werden könnte!“

In der Protesterklärung vom Donnerstag wird darauf verwiesen, dass die Entscheidung gegen die VVN-BdA keine Einzelentscheidung sei. „Vielmehr werden die Bewegungsräume für eine politische und demokratisch aktive Zivilgesellschaft, wie sie sich etwa bei #unteilbar zusammengeschlossen hat, auch mit Hilfe des Steuerrechts, immer enger gesteckt“, heißt es in dem Schreiben. Belege dafür seien die rigide Auslegung des Gemeinnützigkeitsrechts auch für andere politisch aktive Vereine wie Attac, Campact oder das Demokratische Zentrum Ludwigsburg.

Demgegenüber fordern die Unterzeichner, dass politisches Engagement der kritischen und demokratischen Zivilgesellschaft „gestärkt und zweifelsfrei abgesichert“ werden müsse. Notwendig sei ein „Demokratiefördergesetz“, das „seinen Namen verdient und eine nachhaltige und bedarfsgerechte Finanzierung zivilgesellschaftlich getragener Projekte sicherstellt“.

Im Fall der VVN-BdA müsse zunächst die Vollziehung der Bescheide zur Steuernachzahlung ausgesetzt werden, um die Arbeitsfähigkeit der Organisation nicht zu beeinträchtigen. Dann solle das Land Berlin dem Beispiel Nordrhein-Westfalens folgen. Auch in NRW war der dortige Landesverband der VVN-BdA überprüft worden. Im Annörungsverfahren hatte das Finanzamt Oberhausen-Süd der Widerrede der VVN-BdA jedoch entsprochen und Ende Oktober die Gemeinnützigkeit bestätigt.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.