Späte Ehrung einer Legende: „Baseball revolutioniert“

Marvin Miller machte eine zahnlose Spielervertretung zu einer mächtigen Gewerkschaft. Nun wird er verspätet in die Hall of Fame aufgenommen.

Baseball-Stadion

Ausverkauftes Stadion in New York: Baseball ist dank Millner in den USA ein florierendes Geschäft Foto: imago/UPI Photo

In Cooperstown, so will es die Legende, wurde im Jahr 1839 Baseball erfunden. Das ist zwar historisch nicht nur umstritten, sondern ausgemachter Quatsch, aber trotzdem steht in dem knapp vier Autostunden von New York entfernten Dorf heute die Hall of Fame des US-amerikanischen Nationalsports. In diese Ruhmeshalle sind seit der Gründung 1939 vor allem ehemalige Spieler aufgenommen worden, aber auch Funktionäre wie Klubbesitzer, Manager, Trainer oder Schiedsrichter. Trotzdem fehlte bis zum vergangenen Wochenende der Mann, der Baseball so dramatisch verändert hat wie niemand sonst.

Als Marvin Miller 2012 starb, schrieb die New York Times, er habe „Baseball revolutioniert und schlussendlich den gesamten Profisport transformiert“. Und USA Today kommentierte, nachdem Miller am Sonntag endlich in die Hall of Fame gewählt wurde: „Vermutlich ist niemand mehr dafür verantwortlich, dass Baseball zu einem 11-Milliarden-Dollar-Geschäft geworden ist und Spieler und Klubbesitzer, ja auch die Klubbesitzer, heute reicher sind als in ihren wildesten Träumen.“

Miller war von 1966 bis 1982 Chef der Major League Baseball Players Association (MLBPA). Als er sein Amt antrat, verdiente ein Major-League-Profi durchschnittlich 10.000 Dollar im Jahr. Heute liegt das Durchschnittssalär in der MLB bei 4,4 Millionen Dollar. Miller selbst hatte zwar niemals Baseball gespielt, war nie Trainer oder Sportfunktionär gewesen. Aber er hatte reichlich Erfahrungen in der Gewerkschaftsarbeit gesammelt, und kämpfte gegen die Ungerechtigkeiten im Profibereich des Baseball.

Diese lagen vor allem in der sogenannten „reserve clause“ begründet. Damals Standard in jedem Baseball-Profivertrag. Die besagte, dass ein Major-League-Klub den Vertrag eines Spielers automatisch zu den alten Bedingungen um ein Jahr verlängern durfte, wenn sich Spieler und Klub nicht einigen können. Weil die Vereine sich zudem untereinander abgesprochen hatten, Spieler anderer Klubs nicht abzuwerben, war ein Einjahreskontrakt, den ein 17-jähriges Talent unterschrieb, faktisch ein Vertrag aufs Lebenszeit.

Illegale Absprachen unter den Klubs

Ein Sklavensystem, das aber unbehelligt von Politik und Justiz bis in die siebziger Jahre hinein unangetastet blieb. Miller versuchte mit den Besitzern zu verhandeln, drohte mit Arbeitsniederlegungen, organisierte Streiks. Aber erst 1974 wurde die „reserve clause“ abgeschafft – und es dauerte noch einmal bis in die 80er Jahre, dass sich die Besitzer nicht mehr an ihre nun illegalen Absprache hielten.

Miller hatte eine zahnlose Spielervertretung zu einer der mächtigsten Gewerkschaften der USA gemacht. Kein Wunder, dass der Mann mit dem stets akkurat frisierten Oberlippenbärtchen zum Feindbild der reichen Klubbesitzer wurde. Die beschworen Untergangsszenarien herauf: Sollte sich die Gewerkschaft durchsetzen und Spieler den Verein wechseln dürfen, würden die Fans das Interesse verlieren, kleinere Klubs nicht mehr konkurrieren können und der Profi-Baseball sterben. Das Gegenteil war richtig: Als Miller 1966 ins Amt kam, spielten die New York Yankees mitunter vor wenigen Hundert Zuschauern, obwohl sie ständig die World Series gewannen, und viele Klubs standen vor der Pleite. Heute ist das Yankee Stadium bei so gut wie jedem der 81 Heimspiele ausverkauft, und die Yankees sind 4,6 Milliarden Dollar wert.

Die profitierenden Klubbesitzer waren dennoch lange nicht gut auf Miller zu sprechen. Als er 2007 knapp nicht in die Hall of Fame gewählt worden war, wurden flugs die Regeln geändert. Fortan durften nicht mehr die ehemaligen Profis abstimmen, sondern ein Ausschuss, in dem die Vertreter der Besitzer die Mehrheit hatten.

Miller selbst ließ wissen, dass er auf die Ehre, in die Hall of Fame aufgenommen zu werden, gut verzichten kann. „Ich bin jetzt 91 Jahre alt, ich brauche diese Farce nicht mehr“, sagte er 2008. Im Sommer wird er nun posthum, aber gegen seinen Willen offiziell in die Hall of Fame aufgenommen. Seine Kinder haben wissen lassen, dass sie die Zeremonie boykottieren werden.

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