Friede den Palästen!

Eigentümer und Handwerker haben gegen den Mietendeckel demonstriert. Gegendemonstrant*innen waren auch da

Endlich Klartext: Gegendemonstrant auf der Vermieter-Demo drückt aus, was alle denken Foto: Christian Mang

Von Gareth Joswig

Kirmestechno und Mehrzweckhallen-Musik schallt aus großen Boxen. Noch eingeschweißte gelbe Westen und Plastik-Klatsch-Hände aus großen Kartons werden unter den Demonstrierenden verteilt. Ein Mann auf einer Bühne ruft: „Der Deckel gehört auf den Kochtopf und nicht auf die Mieten!“ So also sieht es aus, wenn die Immobilien-Lobby zur Demo aufruft.

1.000 bis 1.400 Leute haben sich laut Polizei am Montagvormittag versammelt, um gegen den vom rot-rot-grünen Senat beschlossenen Mietendeckel zu protestieren. Der Senat will den Wohnungsmarkt regulieren – nach erheblichen Mietsteigerungen durch Vermieter*innen in den vergangenen zehn Jahren. Immer wieder gab es Großdemos von zehntausenden Mieter*innen, die Maßnahmen gegen „Mietenwahnsinn“ gefordert hatten.

An diesem Montag verläuft sich die Masse eher. Richtig voll ist es nicht vorm Brandenburger Tor. Nach einer Sternfahrt in 300 Fahrzeugen versammeln sich Protestierende vor einer Bühne. Aufgerufen hatten dazu Kampagnen und Verbände der Immo-Wirtschaft: Haus und Grund etwa, sowie das Bündnis „Neue Wege für Berlin“.

Aber auch nicht wenige Gegendemonstrant*innen haben sich in die Demo gemischt. Sie tragen Schilder, auf denen steht: „Eure Armut kotzt uns an“, „die Häuser denen, die sie kaufen“ und „zieht doch nach Brandenburg“. Teilweise sind die Grenzen zwischen ernsten Demo-Sprüchen und Bullshit fließend: Auf einem Schild steht neben einem Bild von Kim-Jong-Un: „Alle Wege der Regulierung führen nach Pjöngjang“. Wenig später ruft ein Redner von der Bühne: „Der Weg nach Pjöngjang ist nichts für Berlin.“

Vermieter und Bauwirtschaft inszenieren sich als nah dran an kleinen Leuten. Eine Vermieterin, deren Investitionen in ihr Wohnhaus in Berlin-Mitte sich nun angeblich nicht mehr lohnen, klagt ihr Leid. Ein anderer Eigentümer sagt: „Ich habe mir damals per Zwangsversteigerung Wohnraum gekauft.“ Der Mietendeckel aber sei asozial. Zu Wort kommen natürlich auch die Chefs: Klaus-Dieter Müller etwa, Stuckateur und Präsident der Fachgemeinschaft Bau. Er und andere Redner wiederholen mantraartig: „Der Mietendeckel baut keine Wohnungen“.

Immer wieder unterbrechen Gegendemonstranten: „Wenn ihr so sozial seid, warum nehmt ihr dann so hohe Mieten?“, ruft einer, während ein Vermieter vor dem sozialistischen Umsturz warnt. Eine Frau mit Pelz fängt daraufhin an, ihn zu bepöbeln: „Wir wollen keinen Sozialismus! Sie haben keinen Schimmer, wie sich ein Mietpreis zusammensetzt. Zieh eine Mauer hoch, dann bist du gut aufgehoben! So ein Penner.“

Wenn man sich umschaut, sind zur Demo einige gut betuchte Eigentümer*innen und wohl zum größten Teil Handwerker*innen gekommen. Viele Baufirmen haben ihnen heute Vormittag offenbar freigegeben. Ein Maler sagt, dass er mit seinem Chef hier sei, am Nachmittag aber wieder ran müsse: „Schließlich muss ich ja Geld verdienen.“ Eine Frau sammelt Unterschriften. Was auf den ersten Blick wie normales Demo-Engagement aussieht, ist offenbar ein bezahlter Promo-Job. Das Bündnis Neue Wege für Berlin sucht derzeit wohl Leute, die für 13 Euro die Stunde Unterschriften für ihr Anliegen sammelt, wie aus einer auf Twitter kursierenden Stellenanzeige hervorgeht. 100.000 Unterschriften sind das Ziel. An diesem Montag sind die nicht zusammengekommen. meinung + diskussion