Studie zu Schwangerschaftsabbrüchen: Spahns Mogelpackung

Der Gesundheitsminister initiiert eine Studie zur Versorgungslage bei Schwangerschaftsabbrüchen. Hilfreiche Ergebnisse sind nicht zu erwarten.

Mann mit Brille und blauem Anzug

Hat eine Erhebung mit vielen weißen Flecken machen lassen: Jens Spahn Foto: dpa

BREMEN taz | Es ist eine Mogelpackung: Die vom Bundesgesundheitsministerium ausgeschriebene Studie zur Versorgungslage bei Schwangerschaftsabbrüchen soll eine „deutschlandweite vollständige Erhebung“ von Orten liefern, an denen Frauen Schwangerschaften abbrechen können. Das ist aber nur theoretisch möglich. Denn auch wenn noch nicht klar ist, welche Forschenden die Ausschreibung für sich entscheiden konnten, fest steht: Praktisch werden sie wohl sämtliche Praxen und Kliniken in Deutschland anschreiben und auf eine möglichst hohe Rücklaufquote hoffen müssen. Als realistisch gelten 20 bis 30 Prozent, doch selbst bei einer unwahrscheinlichen Traumquote von 50 Prozent könnte von Vollständigkeit keine Rede sein.

Bei der Studie, deren Ausschreibungsfrist am 11. November geendet hat, handelt es sich um das zweite Modul eines fünf Millionen Euro teuren Forschungsprojekts. Dieses sollte diejenigen besänftigen, die das Forschungsvorhaben kritisiert hatten, weil es im ursprünglich einzigen Modul nur „seelische Folgen von Schwangerschaftsabbrüchen“ untersuchen sollte.

Ob das klappt, scheint in Anbetracht der Bedingungen, unter denen die Daten erhoben werden können, sehr unwahrscheinlich. Einen anderen Weg als die manuelle Befragung aller deutschen Kliniken und Praxen gibt es nicht, da nur an einer Stelle in Deutschland die Daten zu Schwangerschaftsabbrüchen vollständig vorliegen, diese sie aber nicht herausgeben darf. Beim statistischen Bundesamt müssen alle Mediziner*innen solche Eingriffe melden. Das Amt bereitet die Daten zwar auf Länderebene auf, eine kleinräumigere Statistik etwa auf Landkreisebene ist ihnen laut Gesetz aber verboten.

Wie das Bundesfamilienministerium der taz jetzt mitteilte, wird sich daran auch nichts ändern. Vor einem Jahr hatte es in einer Antwort auf eine Anfrage der Grünen im Deutschen Bundestag in Aussicht gestellt, zu „prüfen, ob der Überblick über die Versorgungsituation verbessert werden“ könne – eben durch eine Änderung der Vorgaben für das statistische Bundesamt. Geprüft wurde jetzt anscheinend, Verbesserungspotenzial will man dabei nicht gefunden haben. Wie geprüft wurde und warum das Ergebnis negativ ausfiel, sagt das Ministerium nicht.

Weiße Flecken auf der Landkarte

Dabei wäre eine Statistik mit Aufschlüsselung nach Regionen höchst aufschlussreich: Sie würde wahrscheinlich zeigen, wie spät Frauen Schwangerschaften abbrechen, wenn sie an Orten leben, in denen sie weite Wege vor sich haben und der Mediziner*innenmangel die Wartezeiten verlängert. Dabei steigen die gesundheitlichen Risiken mit zunehmender Schwangerschaftsdauer. Entsprechend empfahl der Familienausschuss des Bundestags im Juni 1995 vor Verabschiedung des Schwangerschaftskonfliktgesetzes: „[Der] Eingriff [sollte] auch aus medizinischen Gründen so früh wie möglich vorgenommen werden können.“

Auf Länderebene zeichnet sich ein Trend zum Abbruch in späteren Schwangerschaftswochen für die letzten acht Jahre nur in Baden-Württemberg, Niedersachsen und Bremen ab, in anderen Bundesländern gibt es zum Teil eine gegenläufige Entwicklung.

Die grüne Bundestagsabgeordnete Kirsten Kappert-Gonther kritisiert die Entscheidung der Bundesregierung, keine detailliertere Statistik zuzulassen. „Wir müssen wissen, wo die weißen Flecken auf der Landkarte sind, damit ein gutes Versorgungsnetz aufgebaut werden kann“, sagte sie der taz.

Die Grünen-Politikerin ist überzeugt: „Wir brauchen eine Rechtsgrundlage auf Bundesebene für die kontinuierliche Auswertung von anonymisierten Informationen über Einrichtungen, die Abbrüche vornehmen – nicht nur eine einmalige Bestandsaufnahme in vier Jahren.“ Zudem müsse die Auswertung schnell vorangebracht werden, „damit nicht noch mehr Frauen lange Strecken kreuz und quer durch Deutschland fahren müssen“.

Wie die taz vor zweieinhalb Jahren recherchiert hatte, gibt es ländliche Regionen, in denen Frauen bis zu 150 Kilometer für einen Abbruch fahren müssen. Aber auch in vielen Städten wird es nach taz-Recherchen eng. Und eine Wahl zwischen verschiedenen Abbruch- und Narkosemethoden gibt es häufig nur in Großstädten. Zudem sind nur wenige Mediziner*innen bereit, einen Abbruch nach der 10. Schwangerschaftswoche durchzuführen, erlaubt wäre bis zur 14.

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