Medienstaatsvertrag beschlossen: Eine Herausforderung

Der neue Medienstaatsvertrag sieht vor, dass Google, Facebook und Co. die Gewichtung ihrer Inhalte ab September 2020 transparenter machen.

Nahaufnahme Lautsprecher

Unter die Regelungen des Vertrags sollen übrigens sogar Geräte wie der Alexa-Lautsprecher fallen Foto: Britta Pedersen/dpa

BERLIN taz | Nach jahrelangem Flickwerk am 1991 beschlossenen Rundfunkstaatsvertrag haben sich die Ministerpräsident*innen der Bundesländer am Donnerstag erwartungsgemäß auf den Text eines Medienstaatsvertrages geeinigt. Dieser soll spätestens im September 2020 in Kraft treten. Vorher müssen noch alle Länderparlamente zustimmen. Außerdem wird auf europäischer Ebene geprüft, ob der Vertrag den Vorgaben der Richtlinie für audiovisuelle Mediendienste entspricht.

Von den nach zwei Entwurfsverfahren mit öffentlicher Beteiligung in den Text integrierten Neuregelungen ziehen jene zu Internetdienstleistungen die größte Aufmerksamkeit auf sich. Ist doch die in den vergangenen 30 Jahren völlig veränderte Angebots- und Konsumseite des Medienbetriebs Hauptgrund für den Vertragsentwurf. Betroffen sind Videostreamingdienste genauso wie sogenannte Medienintermediäre – darunter werden Dienste verstanden, die durch Auswahl, Zusammenführung und Präsentation Aufmerksamkeit für eigene oder fremde Inhalte erzeugen.

Die Dienste werden hier zwar nicht namentlich aufgeführt, die entsprechenden Passagen zielen aber ganz offensichtlich auf Google als marktbeherrschende Suchmaschine und auf die großen sozialen Netzwerke.

Mehr Transparenz

Die Intermediäre sollen die Verfahren, nach denen sie Angebote sortieren und empfehlen transparent für Nutzer*innen, wie Anbieter*innen darstellen. Eine Offenlegung der Tiefe der Algorithmen beinhaltet das noch nicht. Es heißt im Vertragstext, dass die entsprechenden Informationen über „zentrale Kriterien“ in „verständlicher Sprache“ vorzuhalten seien.

Außerdem verlangt der Vertrag, dass die Intermediäre Änderungen an der Methodik nachvollziehbar mitzuteilen haben. Ab wann eine Veränderung beispielsweise an den Algorithmen von Facebook aber „zentrale“ Kriterien berührt und welche das überhaupt sind, ist in diesem Grundlagendokument nicht definiert.

Unter die Regelungen des Vertrages für Intermediäre sollen übrigens sogar Smart-Home-Geräte, wie beispielsweise der Alexa-Lautsprecher von Amazon fallen. Die Praxis der Überprüfung, die den Landesmedienanstalten als Aufsichtsbehörden obliegt, wird in jedem Fall eine spannende Herausforderung sein.

Ein weitere wichtiger Punkt, den die Verbände der Presseverlage in einer ersten Erklärung besonders begrüßten, ist ein Diskriminierungsverbot in der Präsentation von Medienangeboten. So dürften die Gewichtung und Darstellung von Beiträgen nicht „unbillig“ behindert werden oder „ohne sachlich gerechtfertigten Grund“ Unterschiede zwischen den Angeboten gemacht werden. Auch hier ist die künftige Operationalisierung des Regelwerks der entscheidende Punkt.

Diskriminierung bleibt wohl unbemerkt

Verstöße gegen das Diskriminierungsverbot können laut Entwurf des Medienstaatsvertrages nur von den betroffenen Anbietern selber angezeigt werden. Ohne Einsicht in die Algorithmen der Intermediäre ist schwer vorstellbar, dass die Diskriminierung eines Angebots gegenüber anderen nachweisbar oder überhaupt zu bemerken wäre.

Relativ leicht wäre der Nachweis immerhin bei einem Ausschluss von Verlagsangeboten aus den Google-Suchergebnissen wegen eines Leistungsschutzrechtes. Damit drohte die Suchmaschine wiederholt, sollten Verlage auf einer Vergütung für die Aggregation ihrer Newsangebote bestehen. Allerdings müssten in einem solchen Fall wohl Gerichte klären, ob dieses Lieblingsprojekt der deutschen Verlagsverbände, nicht einen „sachlich gerechtfertigten Grund“ für ihre Diskriminierung durch einen Intermediär darstellen.

Wie in den bisherigen Entwürfen sind die administrativen Hürden für kleinere Internet-Angebote von gestreamten Games etwa oder Youtubern den Realitäten moderner Mediennutzung angepasst. Mussten diese nach bisherigen Regelungen bereits bei regelmäßig mehr als 500 gleichzeitigen Zuschauer*innen theoretisch eine vollwertige Rundfunklizenz beantragen, sparen sie die hohen Kosten dafür nun erst einmal. Ab 20.000 Zuschauer*innen soll die Regel in Zukunft greifen und selbst dann wird es noch hinreichend Ausnahmegründe geben.

Die Ministerpräsidentin von Rheinland-Pfalz, Malu Dreyer (SPD), lobte den Vertragsentwurf nach seiner Verabschiedung als einen „Meilenstein“, genauso wie der ARD-Vorsitzende und BR-Intendant Ulrich Wilhelm. Branchenverbände traditioneller Medienangebote begrüßten den Entwurf ebenfalls.

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