Kriechen, Krabbeln, Kaugummi

In den Sophiensælen wird auf Betonklos über queerfeministische Zukunft nachgedacht – zu wenig

Von Astrid Kaminski

Ahhhhh! Was machen die da? Kriechen, krabbeln, Kaugummi kauen? Klo-Brainstorming? Auf dem Boden aufgemalt oder als Schablonen aufgeklebt: eine Gießkanne, ein rechtes Ohr, ein Fuß mit Menschfortsatz. Außerdem zu einem Fächer drapierter Stoff und zwei Monitore, eine dreistufige Treppe, sechs Töpfe in Gussbetonstil mit schleifenartigem Innenleben, die sich später als ergonomische Klobrillen oder Poblumentöpfe entpuppen. Zu den sechs Töpfen gibt es sechs Performer*innen. Die*der eine sagt, dass er*sie ein Klon sei, von den anderen ist mir nicht ganz klar, was sie sind oder darstellen oder von was sie sich in was verwandeln, was sie gelesen, gesehen, gedacht haben, was sie verdaut haben und ob es nun das Verdaute oder das Unverdaute ist, was sie treibt – oder eher nicht treibt.

„Woman with stones“ heißt das desorientierende und vielleicht auch desorientierte Stück. Es findet in den Sophiensælen im Rahmen der Festivals Freischwimmen und The Future Is F*E*M*A*L*E* statt, die „zehn Tage lang für geballten Queerfeminismus – generationsübergreifend und alltagstauglich“ sorgen wollen. Mit Ausrufezeichen. Die Selbstauskunft von „Woman with stones“ spricht von „humanoiden Figuren“, die sich Identitäten mit Steinen und anderer Biomasse teilen und in ihren Körpern zusammentreffen lassen. Ich stellte mir also irgendwas im Stil von Ovids „Metamorphosen“ und María Puig de la Bellacasas feministischer Sci-Fi-Ethik „Matters of Care“ vor.

Auf dem Abendzettel erzählt das Team rund um die Performerin Caroline Creutzburg außerdem sympathisch unprätentiös von einer siebenwöchigen Residenz in der Hamburger Fleetstreet, einem Theater, in dem sich Eindrücke von „Wattenmeer, Ameisenbau, Mimesis, Fiktionsmeditationen, glamourösen und trashigen Diven, rosanen Marmoreiern, einer Treppe zum Runterrutschen, japanischem Voguing, selbst erdachten Rollenminiaturen und ersten Körperverdrehungen“ versammelt hätten.

Jetzt komme ich mir beim Zitieren dieser Referenzen vor wie eine Rechte-Szene-Sarkastin, die dummdreist triumphierend die Linke mit ihren eigenen Mitteln zu erschlagen versucht. Aber ich brauche wirklich eine Anleitung. Immerhin sehe ich damit mehr: Zwar weder Wattenmeer noch Marmorei, aber der Rest lässt sich ableiten. Die Kriechbewegungen, bei denen etwas huckepack transportiert wird oder Fuß-an-Kopf-Tandems entstehen, scheinen einen Ameisenhintergrund zu haben.

Andere Sachen find ich entweder ganz schön oder recht nichts sagend. Billie Eilishs Song „You should see me in a crown“: schön, tolle lyrics. Die Frage, wie Medikamente schmecken: O.K., kann man stellen. Die Sci-Fi-Fantasien über Psychospione oder Sachen, die sich nur in Nanosekunden bei Flugmodus sehen lassen: unausgearbeitet.

Aber das Was-damit-anfangen-Können auf Mikro-Nano-Ebene führt vielleicht ohnehin nicht weiter. Die Makro-Frage, was da eigentlich passiert, wie es gerahmt wird und wofür diese Rahmung steht, muss in Zeiten, in denen rechte Populisten die gedopten Muskeln spielen lassen und linke Institutionen sich hinter „Queerfeminismus“ verbarrikadieren, in denen wie in Belgien ganze Fördersysteme an diesem Kriegsgebaren zugrunde gehen, gestellt werden. Kunst muss nicht „alltagstauglich“ sein, man muss sie sich nicht aufs Brot schmieren können. Aber sie sollte für sich stehen können, fürs Subtile, und sich nicht hinter Kampfbegriffen und Sloganism verstecken (lassen). Und Begriffe, die für eine egalitäre, empathische Zukunft, für fantasievolle Transformationen, würdige Alternativen stehen, sollten weder zu Kampfbegriffen noch zum Kunstersatz werden.