Verbriefte Fairness zahlt sich aus

„Diversity Management“ war bisher nur ein Thema für die großen deutschen Konzerne. Doch der korrekte Umgang mit Frauen, Schwulen, Lesben oder ausländischen Mitarbeitern wird zunehmend auch für Mittelständler zu einem lohnenden Thema

Antidiskriminierungs-vereinbarung als „Win-win-Situation“ für alle Beteiligten

VON BENJAMIN TRIEBE

Wenn das mal gut geht, dachten die Mitarbeiter von Voigt & Müller in Frankfurt (Oder), als in ihrer Firma ein ungewöhnlicher Vertrag unterzeichnet wurde: Er sollte die in der ostdeutschen Feuerverzinkerei beschäftigten Ausländer vor Diskriminierung schützen.

Vier Jahre ist das jetzt her, und Jürgen Schwenke, der Betriebsratsvorsitzende, weiß noch sehr genau, was die Skeptiker befürchteten. „Manche hatten Angst, dass es Anschläge von Rechten geben wird.“ Schließlich war Frankfurt an der Oder damals eine Stadt der brutalen Gegensätze: An der Viadrina-Universität studierten zwar Menschen aus 53 Nationen – manche von ihnen aber nur für ein paar Tage. Sie meldeten sich wieder ab, nachdem Rechtsextreme sie auf der Straße angepöbelt hatten.

Dieses Klima fanden Geschäftsführung und Betriebsrat von Voigt & Müller unerträglich – und entwickelten eine Betriebsvereinbarung, die noch heute als vorbildlich gilt: Wird einer der polnischen, russischen oder rumänischen Mitarbeiter von einem Kollegen dumm angemacht, kann er sich ohne Umwege an die Geschäftsführung wenden. Zulieferer, die rechte Parolen von sich geben, bekommen keine Aufträge mehr.

Dem Geschäft hat das nicht geschadet. Die Auftragsbücher sind voll, zeitweise wird in drei Schichten gearbeitet. Auch die Stimmung stimmt: Das Betriebsklima sei sehr gut, sagt Jürgen Schwenke. „Die Vereinbarung war ein voller Erfolg.“ Statt der befürchteten Anschläge gab es viel Lob, andere Firmen luden den Betriebsrat ein und Jürgen Schwenke hielt Vorträge über die Vorteile der Vereinbarung von Eberswalde bis Essen. „Die im Westen waren ganz erstaunt, dass ausgerechnet ein ostdeutscher Mittelständler so etwas hat.“ Bei der IG Metall wird der Vertrag von Voigt & Müller noch heute in einem Atemzug mit ähnlichen Vereinbarungen bei Ford, Opel, Thyssen und Volkswagen genannt.

Doch die meisten mittelständischen Firmen tun sich schwer mit Diversity Management, wie die institutionalisierte Gleichbehandlung im Manager-Deutsch heißt. Armin Lohrmann von der Unternehmensberatung Antinous in Köln weiß, warum: „Das Problem ist, dass Diversity Management einen strategischen Überbau besitzt, in dem sehr abstrakt gedacht wird“. Doch er zeigt auf, wie konkret dagegen die Fragen sind, die sich im Diversity-Alltag stellen: Werden in der Unternehmenskantine vegetarische und gegebenenfalls koschere Mahlzeiten angeboten? Werden schwule und lesbische Partnerschaften im Betrieb genauso behandelt wie heterosexuelle? Wird in der Einladung zum Firmenfest nur der Mitarbeiter „mit Partnerin“ eingeladen – oder auch andersrum?

Der„Bundesverband mittelständische Wirtschaft“ startete im Dezember 2004 zusammen mit dem „Bündnis für Demokratie und Toleranz“ die Initiative „Mittelstand weltoffen – gegen Diskriminierung“. Unterzeichnet ein Betrieb eine Absichtserklärung für Antidiskriminierung, darf er mit Namen und Logo der Initiative für sich werben. Eine „Win-win-Situation für alle Beteiligten“, so Eberhard Vogt, Sprecher des Wirtschaftsverbandes.

Doch das hat sich bei den mehr als 150.000 Mitgliedern bislang nicht so richtig rumgesprochen. Nur eine Hand voll Betriebe habe die Erklärung unterzeichnet, bedauert Lothar Dege vom „Bündnis für Demokratie und Toleranz“. Er kennt auch die Gründe: „Sprechen Sie mal mit dem Betrieb um die Ecke. Der hat im Moment wirklich andere Sorgen.“

Weil die wirtschaftliche Situation schlecht, der Lohn der Anstrengungen nicht sofort erkennbar und das Antidiskriminierungsgesetz noch nicht unter Dach und Fach ist, hüten sich viele Unternehmer, in entsprechende Maßnahmen zu investieren. Dabei profitieren die Firmen gleich in mehrfacher Hinsicht vom Gleichbehandlungs-Management: Zufriedene Minderheiten sind produktive Mitarbeiter. Das Management kann Türöffner für besondere Zielgruppen sein und ist imagefördernd. Langfristig, so Karl-Heinz Kohn, wissenschaftlicher Autor beim Sachverständigenrat für Zuwanderung und Integration, werde ein Unternehmen mit gutem Betriebsklima auch bei der Suche nach den immer rarer werdenden Fachkräften Punkte sammeln.