Impeachment gegen Trump nimmt an Fahrt auf

Nach der Aussage von Botschafter und Schlüsselzeuge Gordon Sondland sehen sich die US-Demokraten bestätigt. Die Anhörungen zum Amtsenthebungsverfahren gehen zu Ende

Erst Vertrauter Trumps, jetzt Hauptbelastungszeuge: Gordon Sondland bei der Anhörung Foto: Andrew Harnik/ap

Aus New York Dorothea Hahn

Der Botschafter der EU Gordon Sondland genoss lange das Vertrauen von US-Präsident Donald Trump. Er konnte ihn problemlos per Handy aus einem Café in Kiew anrufen. Er bekam per Tweet Vorschusslorbeeren aus dem Weißen Haus. Und er konnte mit dem US-Präsidenten in dem männerbündelnden Umkleidekabinen-Ton witzeln, den Trump salonfähig gemacht hat. Kostprobe von Sondland zu Trump: „Er (der ukrainische Präsident) mag deinen Arsch.“ Aber angesichts der Gefahr, selbst in den Sog von Lügen und Manipulationen gerissen zu werden, und angesichts der Möglichkeit, eines Tages selbst wegen Meineids angeklagt zu werden, hat Sondland die Disziplin des innersten Kreises von Trump gebrochen und vor einem Ausschuss bei einer öffentlichen Anhörung gegen den Präsidenten ausgesagt.

Im Grunde bestätigte Sondland die Vorwürfe gegen Trump: Dass Trump das Versprechen ­eines Treffens im Weißen Haus und die Vergabe von US-Militärhilfe an die Ukraine an „Gegenleistungen“ des ukrainischen Präsidenten Wolodimir Selenski geknüpft hat. Trump wollte Ermittlungen gegen seinen Demokraten-Rivalen Joe Biden erwirken. Und: Auch Vizepräsident Mike Pence und den Außenminister der USA Mike Pompeo hätten von Trumps Absichten gewusst.

Schon mit seiner Aussage trotzte Sondland der Aufforderung aus dem Weißen Haus und dem Außenministerium, nicht hinzugehen. Darüber hinaus beschrieb er, wie das Weiße Haus und das Außenministerium seine eigene Aussage – und damit die Aufklärung über eine mutmaßliche Straftat des US-Präsidenten – behindert haben, indem sie Dokumente über seine eigene Arbeit in Europa unter Verschluss hielten. Schließlich lieferte er Details über „Befehle“ aus dem Weißen Haus, die das Ziel hatten, den ukrainischen Präsidenten zu einer öffentlichen Ankündigung von Ermittlungen zu drängen. Der ukrainische Präsident sei zu der verlangten „Gegenleistung“ bereit, um die zurückgehaltene Militärhilfe endlich zu erhalten. Aber nachdem ein Whistleblower in den USA die Sache publik gemacht hatte, erhielt die Ukraine im September doch die Militärhilfe. Es gab auch ein Treffen von Trump und Selenski. Von „Gegenleistung“ war keine Rede mehr.

Die Demokraten deuten die Aussagen Sondlands als Wendepunkt und fühlen sich durch die Details bestärkt, ein Amtsenthebungsverfahren gegen Trump einzuleiten. Trump hingegen sieht sich selbst durch die Aussage entlastet. „Es ist vorbei“, behauptet er. Denn Sondland habe nie direkt von Trump eine Anweisung erhalten, was Sondland bestätigte. Als Trump nach der Anhörung vor Journalisten trat, hatte er seine Botschaft gleich mehrfach in großen, schwarzen Lettern auf einen Zettel geschrieben: „Ich habe dem Botschafter gesagt: Ich will gar nichts. Ich will kein Quid pro quo. Sagen Sie Herrn Selenski, dass er das Richtige tun soll. Ich wollte gar nichts.“

Die öffentlichen Anhörungen fanden am Donnerstag nach Redaktionsschluss ihr vorläufiges Ende. Anschließend muss das Abgeordnetenhaus abstimmen, ob es ein Amtsenthebungsverfahren gegen Trump einleiten will. Eine einfache Mehrheit (die Demokraten haben 235 von 435 Sitzen) genügt, um dann den Senat über den Fall abstimmen zu lassen. Dort haben die Republikaner 53 von 100 Sitzen. Bei einer Zweidrittelmehrheit würde Trump des Amtes enthoben, ohne dass noch eine Revision des Urteils möglich ist. (jl)

Am Donnerstag, dem vorerst letzten Tag der Anhörungen, sollte Fiona Hill aussagen, die frühere Chefin der Russland- und Europaabteilung des Sicherheitsrats. Zu Redaktionsschluss war die Anhörung nicht abgeschlossen. Außerdem sollte David Holmes aussagen. Der Diplomat hat hinter verschlossenen Türen ausgesagt, dass er in Kiew am 26. Juli Sondlands Telefonat mit Trump mitgehört habe. Trump habe gefragt, ob Selenski Ermittlungen wegen Biden in die Wege leiten werde. Sondland habe geantwortet: Selenski werde alles tun, „um was Sie ihn bitten“. (mit dpa)

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