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: Wir brauchen eine Aktion Gesellschaft

So wird das nichts: Der neue Werbeclip der „Aktion Mensch“ geht nach hinten los

Die Aktion Mensch hat pünktlich zu Weihnachten ein neues Spendenvideo veröffentlicht. Es geht um Inklusion. Und es ist ein unfreiwilliges Zeugnis davon, was mit der Inklusion alles schiefläuft. Das Video besteht aus drei Teilen. Teil eins ist ein Rückblick auf die letztjährige Kampagne, einer Vision auf eine inklusive Gesellschaft. Man sieht Kinder mit Diagnosen oder Einschränkungen, die arbeiten. Sie verteilen Kaffee, leiten Besprechungen, eine*r darf zum Mond. Das ist erstaunlich ehrlich: Bei Inklusion geht es der Aktion Mensch also in erster Linie um die Einspeisung in den Arbeitsmarkt. Dazu braucht es guten Willen und Klaviermusik im Hintergrund. Währenddessen sind wir so weit wie nie davon entfernt, dass in Werkstätten der gesetzliche Mindestlohn gezahlt wird.

Immerhin werden handelnde Kinder gezeigt; Menschen, die was tun. Der zweite Teil stellt die Realität dar. Kinder mit Einschränkungen sitzen vor einem Greenscreen, während eine Stimme aus dem Off menschenfeindliche Facebook-Kommentare vorliest, die sie herabwürdigen. Irgendwann setzt sich ein blondgelockter Junge zu einem der Protagonisten, die beiden knuffen sich. Inklusion ist also, wenn freundlich guckenden Kindern Beleidigungen und Hatespeech an den Kopf geworfen wird, bis sich ein nicht betroffenes Kind dazusetzt und nett ist. Die Botschaft ist klar: Sei dieses Kind, dann bist du ein guter Mensch. Nett sein gegen den Hass; die Betroffenen sollen in ihrer Ecke sitzen bleiben, bis sich jemand ihrer erbarmt.

Zuletzt der dritte Teil, der kürzeste: der Hinweis auf die Aktion Mensch mit dem für eine Lotterie sehr seltsam anmutenden Claim „Das Wir gewinnt“. Da soll man mitmachen: ein Lotte­rieloskauf als humanitärer Akt. Deswegen auch der ganze seichte, menschelnde Aufzug; mit so Mitleidsappellen kriegt man das Publikum besser angesprochen als mit anstrengenden Teilhabeforderungen.

Klar, der Clip ist gut gemeint, er streichelt die Seele aller Wohlgesonnenen. Und damit ist er auch ein Ausdruck der Selbst­zufriedenheit aller, die – sehr gerne! – ein Brosamen von ihrem Herrentisch runterwischen für die Bedürftigen. So wird das nix.

Wir brauchen keine Aktion Mensch, wir brauchen eine Aktion Gesellschaft. Solidarität statt Inklusion. Frédéric Valin