brief des tages
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Theorie der Gerechtigkeit

„Näher dran am Leben“, taz vom 9./10. 11. 19

Die Menschenwürde ist eine verdienstlose Anerkennung, sie ist unbezahlbar – und eben deshalb müssen wir sie (uns) leisten können. Eine wie auch immer geartete Relativierung, eine optionale Definition der menschlichen Würde kann und darf es nicht geben. Unbestritten ist die Menschenwürde ein großes, leider oftmals unerhörtes Versprechen.

Daher weist das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zu Hartz-IV-Sanktionen zwar in die richtige Richtung, es bleibt dennoch sozial unvollendet. Denn der Terminus Existenzminimum darf kein zynischer Euphemismus sein, der per mannigfacher Kürzung nicht nur in vita reali, sondern eben de jure unterlaufen wird. Der Gesetzgeber sollte zudem gänzlich von der Negativierung des Forderns durch Sanktionierung Abstand nehmen. Es braucht vielmehr eine Positivierung des Forderns; durch die Gewährung eines „echten“, garantierten Existenzminimums und der Möglichkeit, Motivationen durch Leistungsprämien zu fördern.

Es kann hilfreich sein, (auch) in diesem Zusammenhang einen Blick auf die „Theorie der Gerechtigkeit“ des amerikanischen

Philosophen John Rawls zu werfen.

Ira Bartsch, Lichtenau-Herbram