Von der Leyens EU-Kommission: Wenn's mal wieder länger dauert

London will keinen EU-Kommissar entsenden. Deshalb bekommt es nun ein Strafverfahren aufgebrummt. Auch mit Ungarn gibt es noch Unstimmigkeiten.

Ursula von der Leyen im Profil mit geschlossenen Augen vor neutralem Hintergrund.

Noch ist nicht alles geklärt und am 1. Dezember beginnt ihre Amtszeit als Kommissionspräsidentin Foto: Francisco Seco/ap/dpa

BRÜSSEL taz | Der Hürdenlauf für die neue EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen nimmt kein Ende. Zwei Wochen vor ihrem geplanten Start in Brüssel am 1. Dezember hat das Europaparlament am Donnerstag nur zwei von drei Ersatzkandidaten für die neue EU-Kommission gebilligt. Außerdem gibt es nun auch noch massiven Ärger mit Großbritannien.

Der britische Premier Boris Johnson weigert sich, vor der Unterhaus-Wahl am 12. Dezember einen Kandidaten für von der Leyens Team zu nominieren. Es sei Usus, vor Wahlen keine wichtigen Posten mehr zu besetzen, hieß es in London. Die EU-Kommission will das jedoch nicht hinnehmen. Sie leitete prompt ein Vertragsverletzungsverfahren ein.

Großbritannien habe seine Pflichten verletzt, erklärte die Brüsseler Behörde am Donnerstagabend. London habe nun bis 22. November – also eine Woche –, um die Verweigerung zu rechtfertigen. Danach drohen weitere Verwarnungen, im Extremfall sind sogar Geldstrafen möglich. Es wäre eine weitere absurde Wendung im schier endlosen Brexit-Drama.

Denn dieselbe EU-Kommission, die nun gegen London klagt, hat erst vor einem Monat einen Austrittsvertrag mit der britischen Regierung ausgehandelt. Der neue britische EU-Kommissar würde, wenn dieser Deal in Kraft tritt, ohnehin nur bis zum 31. Januar arbeiten. Danach könnte er saftige Ruhestandsleistungen von der EU in Anspruch nehmen.

Von der Leyen steht aber auf dem Standpunkt, dass auch Großbritannien noch einen Kommissar entsenden muss, solange es EU-Mitglied ist. Gleichzeitig will die EU-Präsidentin in spe nicht so lange warten, bis Johnson die Wahl überstanden hat und einen Mann (oder eine Frau) für Brüssel nominiert. Denn das würde ihren Start verzögern.

Ist Ungarns Kandidat wirklich unabhängig?

Doch auch ohne den Streit mit Johnson könnte es zu einem weiteren Aufschub kommen. Denn es gibt auch noch Probleme mit Ungarn. Das Europaparlament hat Vorbehalte gegen den ungarischen Kandidaten für die EU-Kommission, Olivér Várhelyi.

Der bisherige EU-Botschafter Ungarns habe nicht überzeugend darlegen können, dass er künftig unabhängig von Regierungschef Viktor Orbán arbeiten werde, hieß es nach einer mehrstündigen Anhörung Várhelyis am Donnerstag in Brüssel.

Sozialdemokraten, Liberale, Grüne und Linke setzen deshalb eine zweite Befragung durch – zunächst nur im schriftlichen Verfahren. Sollte auch die nicht alle Zweifel ausräumen, könnte es ein weiteres Hearing geben. Dann käme auch der neue Zeitplan der neuen Kommission ins Wanken. Ursprünglich sollte sie nicht am 1. Dezember, sondern bereits am 1. November starten.

Weg frei für Breton

Doch neben Ungarn mussten auch Rumänien und Frankreich neue Kandidaten nominieren, nachdem die ersten Anwärter im Oktober im Europaparlament durchgefallen waren. Das brauchte seine Zeit; erst Anfang November standen die Ersatzkandidaten fest. Auch sie hatten bei ihrer Anhörung am Donnerstag keinen leichten Stand.

Vor allem der Franzose Thierry Breton war umstritten, weil er den IT-Konzern Atos geleitet hat und im Verdacht stand, kommerzielle Interessen mit seinem neuen Amt zu verquicken. Bei seiner Anhörung konnte Breton die Fragen nach möglichen Interessenkonflikten jedoch parieren. Nur Grüne und Linke hat er am Ende nicht überzeugt.

Die Mehrheit der Abgeordneten machte schließlich für Breton den Weg frei. Der Franzose soll sich künftig um Binnenmarkt, Industrie, Raumfahrt und Verteidigung kümmern. Auch die Rumänin Adina Valean überstand die Anhörung. Sie soll Transportkommissarin werden.

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