Hamburger Suchthilfe prüft Parteien: Fraktionen kommen nicht drauf

Die Suchthilfe hat Wahlprüfsteine für die Bürgerschaftswahl vorgelegt: Kontrovers sind vor allem Drogentests und die kontrollierte Cannabis-Freigabe.

Sichergestellte synthetische Drogen

Ob alle nur enthalten, was sie einschmeißen wollen? Ein Test brächte Sicherheit. Foto: Henning Kaiser/dpa

HAMBURG taz | Nur einmal wird es emotional an diesem Nachmittag. Die Hamburgische Landesstelle für Suchtgefahren, der 40 Drogenhilfeeinrichtungen der Hansestadt angeschlossen sind, hat die gesundheitspolitischen SprecherInnen der Bürgerschaftsparteien geladen, um mit ihnen die Perspektiven der Suchtprävention und -therapie in der kommenden Legislatur zu diskutieren. Auf der Tagesordnung steht das Thema Drug Checking: Die Chance für UserInnen, ihren Stoff kostenfrei testen zu lassen.

Berlin führt solche Tests gerade ein, doch in Hamburg gibt es für solch einen Vorstoß keine politische Mehrheit. Grüne und Linke sind zwar dafür, CDU und FDP aber dagegen, während die SPD, so die SPD-Bürgerschaftsabgeordnete Sylvia Wowretzko, noch über das Testen debattiert. „Die Mehrheit in unserer Partei aber lehnt das eher ab“, weiß die gesundheitspolitische Sprecherin der größten Fraktion im Hamburger Rathaus.

Die führenden MitarbeiterInnen der Drogenhilfeeinrichtungen bringt das auf die Palme. Sie appellieren an die ParteienvertreterInnen, den Weg für die Tests, in denen die Konzentration des Wirkstoffs, aber auch gefährliche Beimischungen ermittelt werden können, freizumachen und so „Leben zu retten“. Denn immer wieder sterben UserInnen an verunreinigtem oder zu hoch dosiertem Stoff.

CDU und FDP aber wollen auf „keinen Fall“ durch ein positives Ergebnis einer Qualitätsprüfung die Gefahren, die von harten Drogen ausgehen, verharmlosen. Der Konsum illegalisierter Drogen sei „eben nie unbedenklich“.

Drogenprüfung oder Drug Checking bezeichnet die chemische Analyse von meist auf dem Schwarzmarkt gehandelten psychotropen Substanzen.

Ziel ist, Konsumenten vor besonders gesundheitsschädlichen Präparaten zu warnen und so die Gefahren beim Konsum von Substanzen mit nicht bekannter Zusammensetzung zu vermindern.

Drogenprüfstände können etwa auf einer Technoveranstaltung aufgebaut werden, um die mitgebrachten Drogen zu testen.

In Spanien, Frankreich, Österreich, der Schweiz und den Niederlanden gibt es Drug Checking bereits und wird dort von staatlichen oder halbstaatlichen Stellen betrieben.

Berlin soll im kommenden Jahr eine Drogen-Check-Stelle er­halten. Das Konzept wurde von freien Trägern der Sucht­hilfe entwickelt. Unter Wahrung der Anonymität sollen Interessierte Drogen bei einer Beratungsstelle abgeben können.

Die MitarbeiterInnen der Hilfeeinrichtungen hingegen betonen, Drug Checking sei so notwendig wie der längst etablierte Spritzentausch: Es gehe darum, die gesundheitlichen Gefahren für UserInnen zu minimieren und nicht darum, den Konsum von Drogen zu bagatellisieren. Die Einwände aus der Fachwelt sind so massiv, dass die CDU-Fraktionsvorsitzende Birgit Stöver schließlich verspricht, „diese Argumente parteiintern noch einmal ernsthaft zu diskutieren“.

Für eine neue Position beim Thema Drogentest müsste die CDU nicht mal ihr Wahlprogramm umschmeißen: Als einzige Partei hat die Hamburger Union in ihrem Programm für die Bürgerschaftswahl über die Drogenpolitik kein einziges Wort verloren, so als gäbe es dieses Thema in der CDU-Welt gar nicht. Bei SPD, FDP und Linken finden sich nur wenige Absätze im Programm.

Die SPD will die Suchtberatungsstellen „unterstützen und wo nötig ausbauen“, äußert sich aber weder zum Drug Checking noch zu einer teilweisen Legalisierung von Cannabis. Die FDP will alle Programme zur Suchtprävention „auf den Prüfstand stellen“ und fordert „eine kontrollierte Abgabe von Cannabis an Erwachsene in Apotheken und speziell lizensierten Geschäften“. Ein Problem dabei: Die gesundheitspolitische Sprecherin der FDP, Jennyfer Dutschke, ist „persönlich gegen“ die kontrollierte Cannabis-Freigabe und dürfte deswegen kaum ein treibender Pol sein.

Linke und Grüne hingegen teilen weitgehend die Forderungen der Landesstelle für Suchtgefahren, widmen dem Thema in ihrem Programm aber sehr unterschiedlich viel Raum. Während die Linke in zwei Absätzen kurz und knapp „die Strafverfolgung von Drogenkonsum beenden“ will und offensiv für ein Drug Checking wirbt, widmen die Grünen dem Komplex mehrere Seiten ihres Programms.

Darin fordern sie neben dem Drug Checking und der kontrollierten Cannabis-Freigabe an erwachsene UserInnen auch, die „Werbung im öffentlichen Raum für Alkohol, Zigaretten und E-Zigaretten sowie Glücksspielangebote“ zu verbieten und die Zahl der Wettbüros zu begrenzen.

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