Aktion mit Asche von Opfern der Schoah: Wozu die Lebenden fragen?

Mit toten Juden kann man machen, was man für richtig hält, scheint das Zentrum für Politische Schönheit zu glauben. Wie selbstgerecht ist das denn?

Säule vor der Reichstagskuppel

Missbraucht die Opfer der Schoah: Säule mit Asche von Auschwitzopfern Foto: Christophe Gateau/dpa

Eine Stele, gefüllt mit der Asche ermordeter Jüdinnen und Juden – vielleicht. „Schwurwürfel“, in die Bodenproben eingegossen sind, als Crowdfunding-Belohnung. Damit erregt das Zentrum für Politische Schönheit gerade die Gemüter. Nur: Um ein würdiges Andenken an die Ermordeten geht es dabei nicht. Was die Aktionskünstler*innen hier präsentieren, ist pure Selbstgerechtigkeit.

Das Zentrum für Politische Schönheit sagt, es wolle die Union mahnen: Man darf den Faschisten nicht die Hand reichen. So weit, so gut. Es sagt, dass es für viele der von den Nazis ermordeten Jüdinnen und Juden kein würdiges Gedenken gebe. Dass wir über ihre verstreute Asche reden müssen. Auch das ist wahr.

Es eignet sich aber diese Asche, das Gedenken an diese Menschen, an. Und erhebt sich somit nicht nur über die Gesellschaft, die es kritisieren will – sondern auch über die Überlebenden und ihre Angehörigen. Sicher, es mag auch unter Jüdinnen und Juden verschiedene Meinungen zu dieser Aktion geben. Aber auf Kritik von ebendiesen Angehörigen reagiert das Zentrum für Politische Schönheit mit Arroganz.

Man „entreiße“ das Gedenken der „Lieblosigkeit“, heißt es im Video zur Aktion und in Antworten an bestürzte Nachfahren. Man darf aber getrost davon ausgehen, dass die Familien ihrer Toten gedenken. Liebevoll übrigens. Und dass sie dafür keine Anleitung eines deutschen Kunstkollektivs brauchen. Mehr noch: Wenn es wirklich um die Würde dieser Toten ginge, dann wären jüdische Organisationen zentral beteiligt, statt eine vor Effekthascherei strotzende Kampagne um die Ohren geschlagen zu bekommen.

Das Zentrum betont, dass Lea Rosh, Initiatorin der Holocaustmahnmals in Berlin, das alles ganz toll findet. Die Lea Rosh übrigens, die bei einem Besuch in der KZ-Gedenkstätte Belzec den Zahn eines Ermordeten mitgenommen hat. Er lag dann jahrelang auf ihrem Schreibtisch, bis sie ihn in ebenjenem Mahnmal in Beton gießen wollte. Inzwischen ist er in der Gedenkstätte bestattet.

Zynisch kann man sagen, dass diese Aktion deutsche Erinnerungskultur auf die Spitze treibt

„Suchet in der Asche“, zitiert die Aktion den im Holocaust ermordeten Salmen Gradowski. Liegt der Gedanke so fern, dass es dabei um Gedenken geht – und nicht darum, in dieser Asche zu wühlen?

Es geht dem Zentrum für Politische Schönheit am Ende weder um eine Mahnung an die Union noch um die Toten. Oder redet gerade irgendjemand über die AfD? Über neue Gedenkstätten? Nein? Überraschung. Das Kollektiv wollte Spektakel, und Spektakel hat es bekommen. Natürlich sei keine Asche aus Auschwitz in der Stele, betont das Zentrum nun brüskiert. Nur von anderen Orten. Na dann.

Selbst wenn gar keine Asche darin wäre: Achtung vor den Toten betrifft nicht nur ihre Körper. Zynisch kann man sagen, dass diese Aktion deutsche Erinnerungskultur auf die Spitze treibt. Mit toten Jüdinnen und Juden kann man machen, was man für richtig hält – als Erinnerungsweltmeister macht man es ohnehin richtig. Wozu die Lebenden fragen?

Meine Familie wurde in Auschwitz ermordet. Auch für sie haben wir kein Grab. Aber das Zentrum für Politische Schönheit instrumentalisiert ihr Andenken, eignet es sich an – für ein paar Zeitungsartikel.

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leitet das Inlandsressort der taz. Davor war sie dort seit Oktober 2018 Redakteurin für Migration und Integration und davor von 2016-17 Volontärin der taz Panter Stiftung. Für ihre Recherche und Berichterstattung zum sogenannten Werbeverbot für Abtreibungen, Paragraf 219a StGB, wurde sie mehrfach ausgezeichnet. Im März 2022 erschien von Gesine Agena, Patricia Hecht und ihr das Buch "Selbstbestimmt. Für reproduktive Rechte" im Verlag Klaus Wagenbach.

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