Bildung im internationalen Vergleich: Der Pisa-Papst

Dienstag werden die Ergebnisse der neuen Pisa-Studie bekannt. Erfunden hat sie Andreas Schleicher, ein scharfer Kritiker des deutschen Bildungssystems.

Porträtbild von OECD-Bildungsexperte Andreas Schleicher

Wurde von seinem Grundschullehrer nicht für das Gymnasium empfohlen: Andreas Schleicher Foto: dpa

Wenn am Dienstag Bildungsministerin Anja Karliczek (CDU) die Leistungen der deutschen SchülerInnen bei der jüngsten Pisa-Studie vorstellen und verteidigen muss, ist einer ausnahmsweise mal nicht mit im Raum. Andreas Schleicher, Erfinder der Pisa-Studie und scharfer Kritiker des deutschen Bildungssystems, stellt dann seinerseits die Ergebnisse der internationalen Vergleichsstudie vor. Aber nicht in Berlin, sondern in Paris. Dort hat sein Arbeitgeber – die OECD – ihren Sitz.

Schleicher, 1964 in Hamburg geboren, leitet bei der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung den Bereich Bildung. Stimmen die frühen Porträts über den Statistiker mit dem ergrauten Schnurrbart, ist Pisa eine Fahrstuhlgeburt. Im Jahr 1995 soll der damalige Bildungsdirektor den neuen Mitarbeiter gefragt haben, ob man denn herauskriegen könne, „ob Schulen das vermitteln, worauf es im Leben ankommt“. Schleicher, der zuvor in Australien und in den Niederlanden an Bildungsstudien mitgearbeitet hatte, präsentierte kurz darauf das Programme for International Student Assessment, kurz Pisa.

Die ersten Ergebnisse führen zum Pisa-Schock

Und mit der Pisa-Studie sollte Schleicher, der in Deutschland Physik und in Australien Mathematik studiert hat, auch bald das deutsche Bildungssystem mitprägen. Als im Jahr 2001 die ersten Ergebnisse aus damals 43 Staaten bekannt wurden, war schnell vom „Pisa-Schock“ die Rede. Nicht nur waren deutsche 15-Jährige im Lesen, in Mathematik und in Naturwissenschaften unterdurchschnittlich gut – kein anderes Land schnitt beim Thema Bildungsgerechtigkeit schlechter ab.

Die überfälligen Reformen, die Bund und Länder daraufhin starteten, kann man also getrost als Schleichers Verdienst bezeichnen. Fortan wachte der „Pisa-Papst“ streng darüber, ob der soziale Aufstieg durch Bildung an deutschen Schulen durchlässiger wurde.

Wie früh das deutsche System die vermeintlich Schwachen aussiebt, hätte Schleicher, selbst Vater von drei Kindern, beinahe selbst erfahren. Sein Grundschullehrer in Ahrensburg sah den zehnjährigen Andreas als „ungeeignet fürs Gymnasium“ an. Weil sein Vater das aber nicht hinnahm, kam der Bub doch aufs Gymnasium und machte sein Abi mit 1,0.

2021 soll das kreative Denken dran sein

Seinen Ehrgeiz hat Schleicher auch nach 25 Jahren in der OECD behalten. In der aktuellen Pisa-Studie werden erstmals auch die Schulatmosphäre sowie die kulturelle Offenheit der Jugendlichen erhoben. Optional konnten die Länder auch finanzielle Kompetenzen testen lassen.

2021 soll dann das kreative Denken dran sein, 2024 Fremdsprachen. Vor wenigen Tagen bekundete Schleicher vor JournalistInnen zudem Interesse, Pisa auch an die Kitas zu bringen. Von Schleicher wird künftig wohl noch einiges zu hören sein. Worum es beim Lernen in der Schule also gehen muss, kann er heute schon beantworten: jedenfalls „nicht mehr darum, was wir wissen“, sagte Schleicher kürzlich. Das wisse Google. Sondern um Kreativität. Deutsche SchülerInnen hingegen seien dort gut, wo sie Fachwissen wiedergeben ­müssten.

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