heute in bremen
: „Korruption wird weniger akzeptiert“

Foto: Boris Rostami/Giga

Sabine Kurtenbach, 58, Politikwissenschaftlerin und kommissarische Direktorin des Giga-Instituts für Lateinamerika-Studien, Hamburg.

Interview Alina Götz

taz: Frau Kurtenbach, warum ist Korruption in Lateinamerika so tief verwurzelt?

Sabine Kurtenbach: Eine Ursache dafür ist die Schwäche von Rechtsstaat, also die Unzuverlässigkeit der Gesetze und Institutionen. Mit Korruption lassen sich so Regeln umgehen. Aber auch historische und kulturelle Gründe spielen eine Rolle: Schon im spanischen Kolonialreich wurden Ämter gekauft. Das ist aber nicht spezifisch, das gab es auch in Europa. Nur in Lateinamerika hat es besonders lange angedauert.

Nimmt Korruption dort immer noch zu?

Da der historische Vergleich fehlt, ist das schwer zu messen. Dass es so wirkt, liegt vielmehr daran, dass Korruption inzwischen weniger akzeptiert wird. Eigentlich ein gutes Zeichen.

Wie erleben Sie den Kampf gegen Korruption, auch im internationalen Vergleich?

Während in Deutschland bei illegaler Parteienfinanzierung das Bundestagspräsidium Strafen verhängen kann, gibt es in Lateinamerika Allianzen von Akteuren, die genau das verhindern wollen. Drohungen gegenüber zivilgesellschaftlichen Gruppen, die Korruption bekämpfen wollen, sind normal. Es gibt zwar inzwischen eine Antikorruptionskonvention mit regelmäßigen Empfehlungen. Das hilft aber nicht, wenn zentrale Institutionen und Eliten deren Umsetzung verhindern

Die peruanische Politikerin Keiko Fujimori ist gerade aus der Untersuchungshaft entlassen worden.

Peru ist ein sehr spezieller Fall. Die Politik des Landes ist extrem fragmentiert und die weitere Entwicklung hängt nicht allein davon ab, ob Fujimori im Gefängnis ist oder nicht.

Podiumsgespräch: „Ein nie endender Kampf“ – zur Korruption in Lateinamerika mit Sabine Kurtenbach, Martin Reischke, Lagerhaus, 18.30 Uhr

Peru ist aber nicht das einzige Land, das betroffen ist vom Skandal um die Baufirma Odebrecht, die Schmiergelder an Politiker*innen verteilt hat.

Nein, dieser Skandal hat die ganze Region betroffen. Auch Regierungen, von denen man das nicht gedacht hatte.

Wie ist der Zusammenhang von den aktuellen Protesten in zahlreichen Staaten Lateinamerikas und Korruption?

Die Grundursache ist die gleiche: ein Andauern von strukturellen Problemlagen wie sozialer Ungleichheit, fehlender Rechenschaftspflicht, Straflosigkeit. Der Zugang zu grundlegenden staatlichen Dienstleistungen fehlt. In Chile ist beispielsweise Wasser und Erziehung privatisiert – das Versprechen Demokratie hat dagegen ein größeres Maß an Gleichheit verheißen.