berliner szenen
: Im Hintergrund schön

Es ist Mittwochfrüh und ich fahre mit der S-Bahn Richtung Ahrensfelde zu einer Schule. Ich habe vergessen, aus welchem Buch ich lesen soll und habe die Bücher, die für eine Berufsschule in Frage kommen könnten, ausgewählt und eingepackt. Die Klasse steht geschlossen vor der Eingangstür der Schule und zieht, umringt von Plattenbauten, ihre Morgenzigarette durch. Der Lehrer reicht mir seine kräftige rechte Hand. „Tach!“, sagt er.

Er unterrichte auch Sport. Man sieht es. Ich solle lesen, was ich wolle, ich hätte freie Wahl, egal was, aber eine Stunde. „Und dann reden Se noch’n bisschen, ja? Wad so’n Schriftsteller heute macht, also anders als vor hundert Jahren oder so. Jut?“ – „Jut“, sage ich, und packe den Lyrikband zurück in den Rucksack. Ich lese Glossen. Berlin, warum auch nicht.

Es ist auch ganz schön, in Berlin etwas über Berlin zu lesen. Nach den zwei Schulstunden kommt er wieder auf mich zu. „Wissen Se, Krimis sind irgendwie alle gleich, wie heißt er? Dan Brown, jenau, den lese ick echt jern. Macht jute Sachen. Aber irgendwann dachte ick ooch: Kennste doch! Is irgendwie immer dit gleiche, immer gleich gebaut, gleiche Struktur. Na ja, war jut eben, echt jut.“ Vor dem S-Bahnhof kotzte ein Mann neben einen Mülleimer.

Als ich zwei Tage später auf dem Flughafen von Kiew von einer Gruppe von Männern, auf deren T-Shirts „Hard Rock Café Tschernobyl“ stand, angesprochen wurde, ob ich aus Bremen komme, sagte ich: „Nein, aber manchmal wünschte ich, es wäre so.“ In Bremen gibt es kein Hard Rock Café. In Bremen gibt es zwar auch Sportlehrer, die ein weiteres Fach unterrichten müssen, und weil sie so oder so reden, dachten, dass es dann auch Deutsch sein kann. In Bremen wird sich auch übergeben, aber sicher sieht Bremen im Hintergrund schön aus.

Björn Kuhligk