Gewalt gegen Frauen in Frankreich: Paris kündigt Gesetze an

Die Proteste haben die französische Regierung zum Handeln gezwungen. Sie legt nun neue Maßnahmen gegen häusliche Gewalt auf.

Eine Frau hat sich das Wort "Stop" auf dei Wange geschrieben

Proteste gegen jegliche Gewalt an Frauen auf dem Platz der Republik in Paris im Oktober Foto: Benoit Tessier/reuters

PARIS taz | Frankreichs Premierminister Edouard Philippe hat am Montagvormittag einen Katalog von gesetzlichen Initiativen zum Kampf gegen häusliche Gewalt angekündigt. Diese Maßnahmen müssten der Elektroschock sein, den die Gesellschaft brauche, sagte Frankreichs Premier Édouard Philippe. „Durch die vollständige Mobilisierung der Gesellschaft werden wir Ergebnisse erzielen und Verhaltensweisen ändern.“

Philippe fasst dabei die Ergebnisse einer Anfang September gestarteten Aussprache mit Vertreterinnen von Organisationen, diversen Institutionen, Behörden und ExpertInnen zusammen. Die Maßnahmen entsprechen in vielen Punkten den Empfehlungen, die Feministinnen in den Diskussionen zur Prävention der Gewalt gefordert haben.

Philippe räumte gleich zu Beginn ein, dass zum Schutz der Frauen zu wenig – und auch dies oft schlecht – gemacht wurde: „Es gibt Mängel im Funktionieren (der staatlichen Behörden), die wir nicht wahrhaben wollten.“

Jedes Jahr werden in Frankreich rund 220.000 Frauen Opfer männlicher Gewalt im familiären Kontext von Partnerschaften. Im vergangenen Jahr fanden so 121 Frauen (und 28 Männer) den Tod. In diesem Jahr sind es laut dem Collectif Féminicides bereits 138.

Fußfessel soll gewalttätige Männer auf Distanz halten

Wie dies angeregt oder gefordert worden war, sollen allfällige Waffen bei gewalttätigen Männern präventiv konfisziert werden. Ein bereits verabschiedetes Gesetz ermöglicht es, sie mit einer elektronischen Fußfessel auf Distanz zu ihren gefährdeten Partnerinnen zu halten.

Neu kann ihnen zudem nach einer Verurteilung wegen Gewalt das Sorgerecht für Kinder entzogen werden. Die vom Verband Fédération nationale Solidarité Femmes eingerichtete Notrufnummer 3919 soll in Zukunft den bedrohten Frauen mit einer ausgebauten Präsenz rund um die Uhr zur Verfügung stehen. Wie Philippe informierte, herrscht dafür Bedarf: „Vor September wurden rund 150 Anrufe pro Tag registriert, heute sind es 600!“

Im Vordergrund steht die Prävention, um zu verhindern, dass nach ersten Anzeichen die Gewalt weiter eskaliert. So sollen gewalttätige Männer vermehrt psychologisch betreut werden, um solche Rückfälle zu vermeiden. In jedem Departement des Landes sollen dazu zwei solche staatliche finanzierte Zentren eingerichtet werden.

Parallel dazu müssen die Kapazitäten der Aufnahme von Gewaltopfern um 1.000 zusätzliche Plätze ausgeweitet werden. Neu soll für diese die Möglichkeit bestehen, in Krankenhäusern Klage gegen ihre Angreifer einreichen zu können. In den Kommissariaten soll der Empfang der Opfer von Gewaltopfern durch die zusätzliche Präsenz von Sozialarbeiterinnen verbessert werden.

Bruch der Schweigepflicht nur in Ausnahmefällen

In den Schulen sollen im Weiteren die Erziehenden zum Thema Gewalt in Beziehungen ausgebildet werden und mit einem Formular eventuelle Hinweise auf Gewalt in Familien, die ihnen von den Kindern oder Jugendlichen gegeben werden, an zuständige Stellen weiterleiten.

Nur in Ausnahmefällen äußerster Bedrohung sollen nach Ansicht des Regierungschefs hingegen die Mediziner ihre ärztliche Schweigepflicht brechen, um die Behörden von der dringenden Gefahr einer erneuten Misshandlung einer Patientin „mit blauen Flecken“ in Kenntnis zu setzen. Das entspreche lediglich der heutigen Regelung, meinte dazu die Feministin Carole de Haas.

Obwohl viele ihrer Anregungen aufgenommen wurden, sind Feministinnen zum Teil enttäuscht – denn offenbar fehlt in der Ankündigung der Regierung weitgehend die Finanzierung dieses ambitioniert klingenden Plans. Bei einer Großkundgebung in Paris war am Samstag 1 Milliarde Euro für eine Art „Marshall-Plan“ gegen die Gewalt an Frauen gefordert worden. Die bisher vom Premierminister versprochenen Mittel – die Rede ist immerhin von 361 Millionen im kommenden Jahr – sind weit von dieser Summe entfernt.

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