Ausgehen und rumstehen von Brigitte Werneburg
: Cold Case Ludwig Mies und seine Profilerin

Über Kunst am Bau rümpft man ja in gewissen, uninformierten Kreisen gerne die Nase, dabei handelt es sich um die zurzeit bestimmt coolste Art, sich künstlerisch wie gesellschaftspolitisch zu positionieren. Das liegt auch am Immobilienboom, seinen politischen Folgen, vor allem aber an den stetig steigenden Baukosten infolge der Hochkonjunktur. Sie führen zu einem, könnte man sagen, Kollateralnutzen. Der darin liegt, dass hier die Gelder für die Kunst über die Jahre nicht gleich bleiben, geschweige denn gekürzt werden, wie bei vielen Projekten der öffentlichen Hand. Nein, hier gibt es immer mehr Geld für die Kunst, weil es sich prozentual von der Summe der Baukosten herleitet.

So verstand ich am Freitagabend Claudia Büttner, freie Kuratorin aus München, spezialisiert auf öffentliche Kunst. Und das war dann auch das Thema in der Berlinischen Galerie: „Urbane Kulturen – Zur Neupositionierung von Kunst im öffentlichen Raum im Berlin“, und nicht Kunst am Bau als interessante Marginalie. Schon am ersten Abend war das von Ingrid Wagner, der Koordinatorin für Projekte und Stipendien in der Senatskanzlei Kulturelle Angelegenheiten, initiierte und von der nGbK organisierte dreitägige Symposium so gut besucht, dass am Ende gar nicht mehr alle reinkamen.

Diese Situation wiederholte sich dann ein paar Stunden später, als ich bei der Vernissage von Hito Steyerl im n.b.k. vorbeischaute. Angesichts einer derart elend langen Warteschlange verzichtete ich auf den Einlass zu den Screenings, was den schönen Effekt hatte, dass ich ganz privat noch was unternehmen konnte. Und noch mal über Simon Sheikhs zuvor geäußerte Idee nachdachte, den Begriff site specific durch fight specific zu ersetzen. Der Dozent am Goldsmiths College, London, plädierte dafür, weniger über ortsspezifische Kunst zu reflektieren als vielmehr über spezifische Orte, die den Kampf der Kunst lohnen, wie genau der dann ausschaut und worum spezifisch es dann geht.

Am Samstag, so meinte ich, wurde ich gleich mit einem solchen Ort bekannt gemacht: dem 1935 von den Nazis zerstörten Revolutionsdenkmal zur Erinnerung an die 1919 ermordeten KPD-Führer Karl Liebknecht und Rosa Luxemburg, das von Mies van der Rohe stammt. Der Kampf der Kunst gilt hier freilich nicht dem Wiederaufbau des Denkmals, sondern Mies van der Rohe selbst. Stets als bourgeoiser Architekt des ex­tremen Luxus charakterisiert, unterstellt man ihm, das Denkmal als opportunistischer Auftragnehmer gestaltet zu haben. Systematisch unterschlagen wird in dieser gängigen biografischen Geschichtsschreibung Mies’ linkes Herkommen aus einem sozialistischen Arbeiteradel (verzweigt bis zu Herbert Mies, DKP-Vorsitzender von 1973–1990) und Mies’ daraus herrührendes linkes Selbstverständnis. Das Denkmal war ihm, pathetisch gesagt, eine Herzensangelegenheit.

Simon Sheikhs Idee, den Begriff „site specific“ durch „fight specific“ zu ersetzen

Die Architekturhistorikerin Simone Hein, die am Samstag in der Sektion 1 „Auftragskunst“ dazu referierte, sprach vom Cold Case Mies und sah sich mit ihren entsprechenden Recherchen in der Rolle des Profilers. Tja, es war spannend bei den „Urbanen Kulturen“, wo am Samstag Berliner, aber auch auswärtige Modelle wie etwa die von Alexander Koch vorgestellten, aus Frankreich stammenden „Neuen Auftraggeber“ verhandelt wurden. Was lässt sich nach Berlin übertragen? Aus Hamburg, München, Wien oder Dänemark? Natürlich die Forderung nach mehr Geld, mehr Personal, mehr Transparenz. So mein Resümee vom sonntäglichen Workshop „Vermittlung“. Und: interessierte Künstler*innen sollten schon jetzt unbedingt die Website der Senatsverwaltung für Kulturelle Angelegenheiten durchforsten, da können sie fündig werden.