Streit um Berufung des Staatssekretärs: Zerreißprobe für Kenia-Koalition

In Sachsen-Anhalt lehnen SPD und Grüne Polizeigewerkschaftschef Wendt als Staatsekretär ab. Nun muss Ministerpräsident Haseloff (CDU) entscheiden.

Mann mit Glatze steht neben Plastik-Cowboy

Rainer Wendt (l.) im Freizeitpark Kalkar Foto: Volker Wiciok

DRESDEN taz | Die seit 2016 in Sachsen-Anhalt regierungstragende Kenia-Koalition steht ein weiteres Mal vor der Zerreißprobe. Erneut belastet die ultrakonservative und in Teilen mit der AfD sympathisierende Landes-CDU das Verhältnis zu den Koalitionspartnern.

SPD und Grüne wollen der Ernennung des Vorsitzenden der Deutschen Polizeigewerkschaft, Rainer Wendt, zum Staatssekretär im Innenministerium nicht zustimmen. Der Posten wird im Dezember durch den Wechsel von Tamara Zieschang ins Bundesverkehrsministerium vakant. Innenminister Holger Stahlknecht (CDU) hatte im Alleingang die Personalie angekündigt und Wendt „einen der fachkundigsten und bekanntesten Vertreter der Interessen unserer Polizei“ genannt.

Rainer Wendt ist tatsächlich seit 2007 in den eigenen Reihen unumstrittener und zuletzt 2015 ohne Gegenstimme wiedergewählter Vorsitzender der mit etwa 94.000 Mitgliedern zweitgrößten deutschen Polizeigewerkschaft DPolG. Er gilt auch als polternder Haudrauf, der medienwirksam polarisiert. Heftigen Widerspruch erntete er, als er sich für den Einsatz von Gummigeschossen bei der Polizei oder für die flächendeckende Internetausforschung aller Bürger einsetzte. Beim Thema Flüchtlinge sprach Wendt von einem „Kontrollverlust in der Zuwanderungsfrage“.

Selbst nahm er es mit der Rechtslage nicht so genau. 2017 machte „Report München“ bekannt, dass Wendt ungeachtet seiner Gewerkschaftsfunktion zehn Jahre sein Beamtengehalt als Polizeihauptkommissar bezogen hatte, ohne diese Tätigkeit auszuüben. Auch seine Nebenbezüge von 50.000 Euro jährlich als Aufsichtsratsmitglied eines Versicherungskonzerns hatte Wendt nicht angezeigt.

Die in Sachsen-Anhalt opposi­tionelle Linke reagierte zuerst und am heftigsten auf die Ankündigung des Innenministeriums. Sie zählt Wendt zu den „politischen Vordenkern der AfD“, der überdies Posi­tionen vertrete, die „schwer oder gar nicht mit rechtsstaatlichen Prinzipien in Übereinstimmung stehen“. Deshalb sei seine beabsichtigte Berufung eine „Richtungsentscheidung“, die diejenigen innerhalb der CDU stärke, „die die inhaltliche Verbindung zur AfD ausbauen und damit die Grundlage für eine zukünftige Koalition von CDU und AfD schaffen wollen“. In Sachsen-Anhalt wird 2021 wieder gewählt.

Wendt nahm es bei seinen Bezügen mit der Rechtslage nicht so genau

Am Sonnabend fassten der Landesvorstand und der Landesparteirat der SPD in Dessau einstimmig den Beschluss, einer Ernennung Wendts zum Staatssekretär weder im Kabinett noch im Koalitionsausschuss zuzustimmen. Über die bekannten Vorwürfe an Wendt hinaus passe die Personalie außerdem „in keiner Weise zum Anspruch des ­Ministerpräsidenten, mehr Ostdeutsche in Führungspositionen zu holen“, erklärte der Landesvorsitzende Burkhard Lischka. Wendt stammt aus Duisburg und begann seine Laufbahn in Nordrhein-Westfalen.

Auch der Landesvorstand der Bündnisgrünen stimmte per Telefonkonferenz einstimmig gegen eine Berufung Wendts. Man halte ihn „persönlich und beamtenrechtlich für ungeeignet“, sagte Landesvorsitzende Susan Sziborra-Seidlitz. Sebastian Striegel, parlamentarischer Geschäftsführer, nannte Wendt einen „Law-and-Order-Verfechter“. Die Bündnisgrünen erwarten von Ministerpräsident Rainer Haseloff (CDU), bei dem letztlich die Entscheidung liegt, dass er Wendts Berufung nicht zustimmen werde.

Ein „Paukenschlag“ sei diese ­Absicht, zitiert der MDR den Parlamentarismusforscher Benjamin Höhne. Er sieht darin das Kalkül, mit Wendts Äußerungen „rechts der Mitte bis weit rechts“ Wähler von der AfD zurückzuholen.

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