Axel-Springer-Award an Shoshana Zuboff: Trophäe der Ausgewogenheit

Shoshana Zuboff erhält den Axel-Springer-Award. Sie ist eine Forscherin, mit der man sich im Verlagshaus sehr gut arrangieren kann.

Presiträgern Shoshana Zuboff und Personal.

Shoshana Zuboff (2.v.r.), Verlegerin Friede Springer (r.), Ursula von der Leyen und Mathias Döpfner Foto: dpa

Vor einem Jahr begrüßte eine Gewerkschaftsdemonstration in der Berliner Axel-Springer-Straße den Preisträger des Axel-Springer-Awards, Amazon-Chef Jeff Bezos. Die inzwischen schon legendär dystopischen Arbeitsbedingungen in den Versandzentren seines Konzerns waren Grund genug für dieses öffentliche Interesse.

Am Donnerstagabend, bei der inzwischen vierten Verleihung des Preises, hingegen war es eher still vorm Hauptquartier des Axel-Springer-Verlags. Die amerikanische Wirtschaftswissenschaftlerin und emeritierte BWL-Professorin Shoshana Zuboff weckt offenbar nicht so viele Emotionen.

Ihr Werk, bestehend aus Beiträgen, die sich mit den Folgen der datengetriebenen Ökonomie befassen, ist dennoch durchaus scharfer Kritik ausgesetzt. Bemängelt wird an ihrem Opus magnum, dem 2018 erschienen und weit rezipierten Buch „Das Zeitalter des Überwachungskapitalismus“, vor allem die darin entwickelte Idee einer völlig neuen Form des Kapitalismus, getragen von den großen Internetkonzernen.

Während die kritikwürdigen Phänomene des Kapitalismus im digitalen Zeitalter von ihr korrekt beschrieben würden, fehlt Zuboff nach Ansicht von Kritiker*innen wie dem Publizisten Evgeny Morozov das Verständnis oder der Wille, die prinzipiellen Wirkungsmechanismen der Ökonomie zu beachten.

Sehr ausführlich – bis auf die Kapitalismuskritik

So entstünde ein bisschen akademische Dramatik mit griffigen Schlagworten, jedoch ohne weiteren politischen oder wissenschaftlichen Nutzen. Letztlich wird Zuboff der verkürzten Kapitalismuskritik geziehen. Kurz ist ansonsten nichts bei ihr, das Buch hat über 700 Seiten – eine Menge Holz, um ein paar banale Beobachtungen breitzutreten.

Hinreichend beeindruckend ist das jedoch für den Vorstand der Axel Springer SE und die Laudatorin Ursula von der Leyen. Die Präsidentin der EU-Kommission ließ es sich nicht nehmen, zum festlichen Anlass im Journalistenclub von Axel Springer die üblichen Stanzen vom Technologiestandort Europa und notwendiger Innovation zur Kenntnis zu geben.

Die Verleihung des Preises an Shoshana Zuboff, die laut von der Leyen „den [digitalen] Wandel kritisch begleitet“, entbehrt nicht einer gewissen Ironie. Mit Bezos und Mark Zuckerberg gehören schließlich zwei der bisher drei Preisträger zu den größten Profiteuren des vorgeblich so nachdrücklich kritisierten Phänomens Überwachungskapitalismus.

Neben dem WWW-Erfinder Tim Berners Lee, der den Preis 2017 erhalten hat, wird Zuboff so zur Trophäe der Ausgewogenheit in der Springer-Sammlung: Eine Kritikerin, mit der man sich ohnehin gut arrangieren kann. Gilt doch ihre Kritik nicht dem Kapitalismus und seinen Zumutungen als ganzem, sondern vor allem einem ganz bestimmten Geschäftsmodell: einem Geschäftsmodell, das Springer-Chef Mathias Döpfner nicht müde wird, als Bedrohung für die klassische Verlagstätigkeit anzugreifen.

Das Bündnis zwischen der BWLerin und dem Medienkonzern ist für diesen derweil nicht nur ideologisch recht kommod, sondern auch sonst eher preisgünstig: Der Axel-Springer-Award ist undotiert.

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