Kolumne Wir retten die Welt: Die DDR – Öko mit Weltniveau

Der deutsche Sozialismus ließ ökologisch ein Trümmerfeld zurück. Aber der Mauerfall brachte uns wertvolle Landschaften und Einsichten.

Autoschlange am Checkpoint Charlie

Einigkeit und Recht und Feinstaub: Verkehrschaos vor 30 Jahren Foto: dpa

Als Westberliner Mauerkind fand ich die DDR einfach nur blöd. Die Grenzpolizisten waren autoritäre Arschgeigen, auf der Autobahn bei Bitterfeld hielten wir uns wegen des Gestanks die Nase zu, das Elbewasser war bei unseren Besuchen in Wittenberg eklig braun, und bei Smogalarm in Westberlin wehte der Braunkohledreck von Osten über die Mauer.

Wie sehr der Sozialismus auf deutschem Boden ein ökologisches Notstandsgebiet war, habe ich allerdings erst später begriffen: Die Chemiekombinate, die Braunkohle, die Kiefernplantagen, der Zweitaktermief, die Ineffizienz der Mangelwirtschaft. Es war eine toxische Mischung aus Unterentwicklung, Ignoranz, Geheimhaltung und Scheiß-drauf-Haltung, die die Situation so schlimm machte.

Aber 30 Jahre nach dem Mauerfall muss man konstatieren: Bei Erich war nicht alles schlecht! Oder sagen wir lieber: Nach Erich wurde es nicht viel besser. Denn der Konsumismus schluckte alles: Die Ost-Obstbäume wurden für Importäpfel abgehackt, die Alleen für die Raser begradigt, das Sero-Recycling durch Einwegmüll ersetzt.

Weltweit macht sich der Kapitalismus seit 1989 ohne seinen direkten Konkurrenten richtig breit: Bis in die letzte Ecke dringen die Öl-, Gold- und Glückssucher vor, überall ruinieren wir hocheffizient und gut gelaunt den Planeten. Immer fettere SUVs zu bauen, Shoppen zum Sinn des Lebens zu erklären, übers Wochenende nach Malta zu fliegen oder ein goldverziertes Steak zu servieren – das alles ist ein Weltniveau an selbstvergessener Umweltzerstörung, das der Sozialismus nie erreicht hat.

Wie aus dem ehemaligen Todesstreifen eine ziemlich ordentliche Wildnis mitten in einem Industrieland wurde – das grenzt an ein Wunder

Und überhaupt: Der größte ökologische Fortschritt der letzten 50 Jahre kam aus der DDR: Ihr Untergang. Inzwischen sind dort die Flüsse so sauber, die Luft so rein, die Straßen so sicher wie noch nie. Der Zusammenbruch der CO2-intensiven Ostindustrie macht etwa ein Drittel der deutschen Erfolge beim Klimaschutz aus, meinen Experten.

Wirklich toxisch ist inzwischen im Osten nur noch der Fremdenhass der Rechten. Der hat auch damit zu tun, dass die Industrie, so dreckig sie auch war, so schnell verschwand. Dass das giftige Erbe des Sozialismus einfach untergepflügt wurde. Und dass der Kapitalismus die Menschen enterbte, statt einen gerechten Übergang zu organisieren.

Vor allem aber – so furchtbar das Grenzregime war – verdanken wir der DDR das „Grüne Band“: Wie aus dem ehemaligen Todesstreifen eine ziemlich ordentliche Wildnis mitten in einem Industrieland wurde – das grenzt an ein Wunder.

Und nicht zuletzt verdanken wir dem Osten einen weisen Kommentar zu jeglicher Umweltpolitik. Wir finden ihn auf dem Stück Berliner Mauer finden, das ausgerechnet im Bundesumweltministerium steht: „Alles wird besser, aber nichts wird gut.“

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Jahrgang 1965. Seine Schwerpunkte sind die Themen Klima, Energie und Umweltpolitik. Wenn die Zeit es erlaubt, beschäftigt er sich noch mit Kirche, Kindern und Konsum. Für die taz arbeitet er seit 1993, zwischendurch und frei u.a. auch für DIE ZEIT, WOZ, GEO, New Scientist. Autor einiger Bücher, Zum Beispiel „Tatort Klimawandel“ (oekom Verlag) und „Stromwende“(Westend-Verlag, mit Peter Unfried und Hannes Koch).

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