„Nichtstun ist ziemlich super“

Das Schwesternduo Jolly Good gibt heute einen Vorgeschmack auf ihr Album „Slowlife“

Von Stephanie Grimm

Jetzt aber mal her mit dem besseren Leben! Bisher kannte man das Schwesternduo Jolly Goods als krachig-postpunkige Riot Grrls. Ihr neues Album, „Slowlife“, erscheint im Januar. Darauf geben Tanno Pippi und Angy Lord, unterstützt von der Bassistin Nina Kränsel, heute bei der „Ich brauche eine Genie“-Gala einen Vorgeschmack. Da geht es zwar immer noch um Situationen, die verstören oder schlichtweg traurig machen. Doch das verhandeln die Jolly Goods auf eine überraschend melodiöse, luftig-poppige Weise. Und singen nebenbei plötzlich das Loblied auf ein gechillteres Leben. Aufs ‚Slowlife‘ eben.

Seit ihrem letzten Album „Walrus“ sind über acht Jahre vergangen. Tanno Pippi und Angy Lord, die die Jolly Goods 2003 im zarten Teenageralter in einer kleinen Gemeinde im Odenwald gründeten – mittlerweile leben die Endzwanzigerinnen in Berlin –, haben sich diesmal die Zeit genommen, die sie brauchten, bis sie zufrieden waren. „Niemand außer Angy hat die Stücke gehört, bis sie komplett fertig waren“, erzählt Tanno Pippi, die die Songs geschrieben und arrangiert hat; die Schlagzeugparts stammen von ihrer Schwester. „Früher war es oft so, dass etwas halbfertig war, ich damit unzufrieden war und Leute sagten: ‚Wieso? Ist doch super.‘ Diesmal habe ich mich weder Lob noch Kritik ausgesetzt. “

Nun hat das wachsende gesellschaftliche Bedürfnis nach Entschleunigung schon ganze Industrien hervorgebracht. Achtsamkeit ist zu einem Begriff geworden, mit dem sich viel Geld verdienen lässt. Ebenso damit, Menschen nahezubringen, wie man effektiver filtert, sich aus dem Hamsterrad raushält – wobei es dann ja letztlich wieder darum geht, die Verantwortung für den eigenen Seelenfrieden ausschließlich beim Einzelnen abzuladen. Die Sehnsucht nach Entschleunigung geht gern Hand in Hand mit der vermaledeiten Selbstoptimierung, was Tanno Pippi aber charmant abschüttelt. „Nichtstun ist ziemlich super. Letztlich war der Ausgangspunkt: Wieso mache ich bestimmte Dinge, und wie geht es mir dabei? Dabei stellt man fest, dass vieles nicht nur unnötig ist, sondern darüber hinaus einfach nichts Positives mit sich bringt.“

Manchmal hilft es schon, dem langsameren Leben zuliebe öfter mal Nein zu sagen. Dazu passt, dass Tanno früher Tanja hieß. „Und Tanno ja quasi die Verneinung von Tanja ist“, merkt sie lachend an. „Das ist aber nicht der Grund, dass ich lieber Tanno genannt werden will. Ich fühl mich schlichtweg wohler damit, wenn mein Name nicht so klar geschlechtlich definiert ist.“

Nein zu sagen kann eben hilfreich sein. Die Vorabsingle, „Eating fries“, etwa handelt davon, von einer Party früher zu gehen und zu Hause dann Pommes zu essen: „I listen to the sounds that the fries make in my mouth.“ Ihre Texte, so Tanno Pippi, entstünden zusammen mit der Musik, Strophe für Strophe, ganz Stream-of-Consciousness-mäßig. Auf Englisch zu schreiben sei für sie ein natürlicher Prozess. Wenn es um Musik geht, denke sie einfach in der Sprache. „Slowlife“ tut in seiner luftigen Entspanntheit einfach gut, bei aller unterschwelligen Melancholie, die in den Songs steckt: wie ein Spaziergang unter novembergrauem Himmel, aus dem dann doch die Sonne blitzt.

„Die Songs der vorherigen Alben waren ein Abarbeiten an der ganzen Scheiße, die in der Welt passiert“, so Tanno Pippi. Der Fokus von „Slowlife“ ist eher: „Wie gehe ich damit um? In der Scheiße hängen zu bleiben ist ja auch nicht so ideal – was aber nicht heißt, dass man die Verhältnisse ignorieren sollte.“

Gala „Ich brauche eine Genie“ mit den Jolly Goods u. a., 20. 11., 20.30 Uhr, Kantine Berghain. „Slowlife“ erscheint am 17. 1. 2020 bei Siluh Records