Anzeige gegen Museumsleitung: Vergammelte Schiffe

Das Deutsche Schifffahrtsmuseum in Bremerhaven lässt seine Exponate verkommen, sagt eine Anwältin und hat Anzeige erstattet. Das Museum schweigt dazu.

Eine Pumpe pumpt Wasser aus dem Museumsschiff "Seute Deern".

Nur noch per Pumpe vor dem Sinken zu retten: Das Museumsschiff „Seute Deern“ in Bremerhaven Foto: dpa

GÖTTINGEN taz | Die 100 Jahre alte Holzbark „Seute Deern“: gesunken. Das Feuerschiff „Elbe 3“: stark beschädigt und kurz vor der Zerstörung. Der Binnenschlepper „Helmut“: von Moos und Algen überwachsen und teilweise verrottet. Der Walfangdampfer „Rau IX“: Renovierung eingestellt.

Insgesamt mindestens zehn Schiffe und Exponate in seinem Hafen und auf seinem Außengelände habe das Deutsche Schifffahrtsmuseum (DSM) in Bremerhaven durch Nichtstun verkommen lassen, sagt die Rechtsanwältin Karla Mombeck. Daran ändert auch nichts, dass der Bund nun 46 Millionen Euro rausrückt, die vor allem in den Nachbau des total zerstörten Museumsschiffs „Seute Deern“ fließen werden.

Mombeck hat wegen der verrottenden Schiffe die jetzige und frühere Leitung des Museums wegen „gemeinschädlicher Sachbeschädigung durch Unterlassen“ sowie allen weiteren in Betracht kommenden Delikten angezeigt. Der an die Staatsanwaltschaft in Bremerhaven gerichteten Anzeige sind zahlreiche Fotos beigefügt, welche die Schäden an den Schiffen dokumentieren sollen.

Nach dem Strafgesetzbuch begehe eine solche gemeinschädliche Sachbeschädigung, wer rechtswidrig öffentliche Denkmäler beschädige oder zerstöre, erläutert die Juristin, die im Weserdörfchen Sand­stedt ihre Kanzlei betreibt. Die Schiffe im Hafen des Museums und die auf dem Gelände ausgestellten Kräne und Maschinen stünden seit 2005 in Bremen unter Denkmalschutz. Auch nach dem Landesdenkmalschutzgesetz bestehe daher eine Erhaltungspflicht – die Exponate seien zu schützen und, soweit notwendig, eben auch wieder instand zu setzen.

Die „Seute Deern“ wird nun nachgebaut. Der Bund stellt 46 Millionen Euro für die Museumsflotte des DSM bereit. Das hat der Bundestag beschlossen.

Die 100 Jahre alte Bark war im August gesunken. Gutachter bescheinigten dem Museumsschiff einen Totalschaden.

Von einer „Rettung in letzter Sekunde“ schreibt nun der Bremerhavener SPD-Bundestagsabgeordnete Uwe Schmidt.Die 2018 vom Bund für eine Sanierung der „Seuten Deern“ bewilligten 17 Millionen Euro wurden um 29 Millionen Euro aufgestockt, Stadt und Land müssen nichts zuzahlen.

Weitere Auflagen ergeben sich Mombeck zufolge aus den allgemeinen Museumsstandards. Sie besagen, dass zu den Kernaufgaben des DSM neben dem Sammeln auch das Bewahren des Kulturerbes der Menschheit gehört. Und zum Tätigkeitsprofil einer Museumsleitung zähle die Aufgabe, wirtschaftlich zu agieren und den finanziellen Spielraum des Museums zu vergrößern, argumentiert Mombeck –„indem der erwirtschaftete Eigenanteil erhöht wird“, etwa durch Eintrittsgelder und weitere Einnahmen. „Das wirtschaftliche Handeln hat in erster Linie darauf zu zielen, den Zweck und den Auftrag des Museums zu erfüllen“, so Mombeck.

Tatsächlich hätten sich die Verantwortlichen jedoch in keiner Weise bemüht, Drittmittel über Sponsoring oder Fundraising einzuwerben, um dadurch den Erhalt der Kulturdenkmäler zu sichern. Die Beschuldigten seien mithin „in keiner Weise ihrer Erhaltungspflicht nachgekommen“. Sie hätten „billigend in Kauf genommen, dass durch die Zerstörung und Verwahrlosung der Ausstellungsstücke des DSM der öffentliche Nutzzweck stark beeinträchtigt beziehungsweise zerstört wurde.“

Die Staatsanwaltschaft in Bremerhaven muss nun prüfen, ob ein Strafverfahren eingeleitet wird. Nach dem Strafgesetzbuch wird „Gemeinschädliche Sachbeschädigung“ mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

Das Schifffahrtsmuseum wollte sich auf taz-Anfrage nicht zu der Anzeige äußern. Es handele sich um ein laufendes Verfahren, deshalb gebe es „keinen Kommentar“, sagte ein Sprecher. Detlef Ellmers, bis 2002 Direktor des DSM, hatte aber bereits eingeräumt, dass das Museum im Grunde selbst schuld ist am desolaten Zustand der „Seuten Deern“ und der Verlust durch ein Trockendock hätte verhindert werden können.

Während die meisten Schiffe im Museumshafen nur BesucherInnen und Fachleuten ein Begriff sein dürften, hat das Schicksal des in Bremerhaven als Wahrzeichen gehandelten Traditionsseglers „Seute Deern“ zuletzt viele Menschen bewegt. Unter dem alten Namen „Eli­zabeth Brandi“ lief sie vor exakt 100 Jahren im US-Bundesstaat Mississippi als Viermast-Gaffelschoner vom Stapel. Sie transportierte zunächst Holz. In den 1930er-Jahren wurde das Schiff nach Europa verkauft und umgebaut. Damals erhielt es auch die große, in hamburgische Tracht gekleidete Galionsfigur, die ihm den neuen Namen gab.

In den folgenden Jahren diente der Segler als Schul- und Hotelschiff sowie als schwimmende Jugendherberge, bis er 1966 schließlich in Bremerhaven festmachte und dort zum Restaurant umgebaut wurde. Vier Jahre später kaufte die Stadt das Schiff und schenkte es dem DSM zu seiner Eröffnung.

Anfang dieses Jahres brannte es auf dem Dreimaster, im August sank er nach einem Wassereinbruch auf den Hafengrund. Später wurde er zwar für mehr als eine Million Euro gehoben, doch der Kahn schwimmt nur noch, weil Pumpen täglich rund 5.000 Kubikmeter Wasser aus seinem Rumpf spülen. Eine Sanierung der Bark wäre äußerst aufwendig – ein Gutachter sprach von einem „konstruktiven Totalschaden“. Demnach sind Außenhaut, Kiel und Unterraum komplett zerstört. Deshalb sollte das Schiff nun abgewrackt werden und nur einige seiner Teile als Museumsexponate erhalten bleiben.

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