Neue Vermieterstrategien in Berlin: Schlupflöcher im Mietendeckel

Mit Modernisierungen vor Neuvermietung hat der Wohnungskonzern Akelius hohe Mieten erzielt. Nun ändert das Unternehmen offenbar die Strategie.

Kleine Löcher in der Wand sind nur ein kleines Problem Foto: dpa

1.200 Euro warm für eine 120-Quadratmeter-Wohnung in einem angesagten Bezirk: Leonie Gröber ist glücklich, nach schwieriger Wohnungssuche eine bezahlbare Wohnung für ihre 3er-WG gefunden zu haben. Gröber heißt eigentlich anders, will ihren richtigen Namen aber nicht in der Zeitung lesen – aus Angst, die Wohnung wieder zu verlieren, weil sie sich negativ über ihren Vermieter geäußert hat.

Denn die Wohnung hat einige Besonderheiten: Es gibt keine Fußböden, dafür einen Wasserschaden, ein großes Loch in der Wand, mit Farbe beschmierte Fenster und fleckige Wände. Eine halbe Kaltmiete wurde der WG dafür erlassen, dass sie die Renovierung selbst übernimmt. Vor allem aber: Der Mietvertrag ist auf fünf Jahre befristet.

Eigentümer der Wohnung ist der schwedische Konzern Akelius, der in Berlin rund 14.000 Wohnungen besitzt. Akelius ist dafür bekannt, bei Neuvermietungen die höchsten Mieten der ganzen Stadt zu nehmen, im Schnitt 20,23 Euro kalt pro Quadratmeter. Bisher war das trotz Mietpreisbremse möglich, weil Akelius die Wohnungen vor jeder Neuvermietung modernisiert.

Bei solchen Wohnungen gilt die Mietpreisbremse nicht – der Mietendeckel, der Anfang 2020 in Kraft treten soll, aber schon. Auf die dort festgelegte Obergrenze von 9,80 Euro pro Quadratmeter kann auch bei Modernisierungen höchstens ein Euro pro Quadratmeter aufgeschlagen werden. Mieten, wie sie Akelius bisher verlangt, sind damit nicht mehr möglich.

„Für Sie in Ordnung“

„Uns wurde von einem Akelius-Mitarbeiter ganz klar gesagt, dass wir deswegen den befristeten Vertrag bekommen, weil so lange der Mietendeckel gilt und sie die Wohnung erst danach sanieren wollen“, sagt Gröber. Bei der Wohnungsübergabe habe eine Mitarbeiterin den Zustand der Wohnung als „in Ordnung“ vermerkt. „Als ich dann vorsichtig gesagt habe, so richtig in Ordnung sei die Wohnung ja nicht, hat sie geantwortet: Für Sie ja offenbar schon, sonst würden Sie sie ja nicht mieten.“

Offenbar hat der Senatsbeschluss zum Mietendeckel bei Akelius eine Kehrtwende erzwungen: „Die umfangreiche Sanierung von leerstehenden Wohnungen führen wir derzeit nicht durch“, sagt Ralf Spann, Europa-Chef von Akelius, auf taz-Anfrage. Und: „Vereinzelt befristen wir Mietverträge bei Wohnungen, die in Zukunft umfassend saniert werden müssen.“

Gleichzeitig ist er überzeugt, dass der Mietendeckel rechtlich keinen Bestand haben werde: „Das Festsetzen von Preisen durch den Staat oder durch eine Landesregierung ist nicht möglich.“ Akelius rechne damit, dass „der Mietendeckel nicht wirken wird und möglicherweise gar nicht erst in Kraft tritt“.

Warum das Unternehmen dennoch seine Vermietungsstrategie bereits ändert, bleibt unklar. Die Frage, was der Mietendeckel wirtschaftlich für Akelius bedeuten wird, will Spann nicht beantworten: „Berechnungen von Dritten über mögliche Auswirkungen auf die Miethöhe des Wohnungsbestandes oder über wirtschaftliche Auswirkungen auf Akelius sind nicht seriös“, sagt er. Und schiebt hinterher: „Wir werden gegebenenfalls solche Behauptungen und Berechnungen rechtlich in Hinsicht auf Schadenersatz prüfen lassen.“

Akelius-Mieter organisieren sich

Dass der Mietendeckel den Konzern empfindlich treffen könnte, liegt auf der Hand. „Wir glauben, dass sehr viele Akelius-Mieter von der Möglichkeit Gebrauch machen werden, ihre Mieten mit dem Mietendeckel abzusenken“, sagt Miriam Grost. Auch Grost ist Akelius-Mieterin und möchte aus Angst vor negativen Konsequenzen für ihr Mietverhältnis ihren richtigen Namen nicht nennen. Sie engagiert sich in der Akelius-Mietervernetzung, die berlinweite Treffen von Akelius-Mieter:innen organisiert, um sich auszutauschen, zu helfen und Druck aufzubauen.

Anders als vom Konzern dargestellt sei es nicht so, dass die Mieter:innen der teuren modernisierten Akelius-Wohnungen die hohen Mieten gerne zahlen würden, sagt Grost. In vielen Fällen seien es internationale Mieter:innen, um die Akelius gezielt werbe. „Das sind Menschen, die aus anderen Städten hohe Mieten gewohnt sind und die den Berliner Wohnungsmarkt und die deutsche Gesetzgebung erst mal nicht kennen“, sagt sie. „Viele von ihnen stellen erst nach einiger Zeit fest, dass ihre Miete völlig überhöht ist, und versuchen dann sehr wohl, da so schnell wie möglich rauszukommen.“

Mit dem Mietendeckel sollen Mieter:innen ihre Miete absenken können, wenn diese mehr als 20 Prozent über den Obergrenzen liegt. Das trifft auf alle modernisierten Wohnungen von Akelius, knapp 40 Prozent des Berliner Bestands des Unternehmens, zu.

Grost und ihre Mitstrei­ter:innen freut der Mietendeckel, weil er bedeute, dass Akelius nicht so weitermachen könne wie bisher. „Aber wir fragen uns auch: Was passiert nach den fünf Jahren?“ Und: Das nächste Problem auf dem Berliner Wohnungsmarkt sei schon in vollem Gange – die Umwandlung in Eigentumswohnungen samt Eigenbedarfskündigungen. „Wenn die Politik da jetzt wieder so lange braucht, bis sie reagiert, wie sie für den Mietendeckel gebraucht haben, ist das fatal.“

Im taz-Interview hatte Akelius-Chef Spann im Oktober der Mietervernetzung ein Gespräch angeboten: „Ich bin bereit, mich mit ihnen zu treffen und zu helfen, ihre Probleme zu lösen.“

Wenn Akelius den Mie­ter:innen helfen wolle, gebe es dafür eine Möglichkeit, sagt Grost: „Wir fordern Akelius auf, keine Kündigungen mehr auszusprechen und laufende Kündigungsverfahren einzustellen.“ Sie wüssten von vielen Kündigungen, die „aus geringsten oder sogar konstruierten Anlässen mit einer unglaublichen Kompromisslosigkeit durchgezogen werden“. Denn an Bestandsmietern, vor allem Altmietern, die günstige Verträge haben, habe Akelius kein Interesse.

Das hat auch Leonie Gröber von Nachbarn gehört: „Die haben uns schon erzählt, dass bei Problemen nie reagiert wird.“ Erste eigene Erfahrungen würden das bestätigen: „Wir haben den Reparaturservice benachrichtigt, dass bei uns im Bad Wasser aus den Fugen tritt, aber es gab keine Reaktion.“ Angesichts des Zustands der Wohnung sei das aber ohnehin nicht das drängendste Problem.

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