Billigentsorgung von Atommüll: Urencos Uranabfall für Nowouralsk

Demonstranten protestieren gegen den Transport von Uranabfall aus Gronau. Russische Aktivisten bezeichnen die Lieferung als „unmoralisch und zynisch“.

Demonstranten vor der Urananreicherungsanlage in Gronau

Proteste im westfälischen Gronau gegen Atommülltransporte nach Russland Foto: Andreas Wyputta

GRONAU taz | Die Anti-Atom-Bewegung verstärkt ihre Proteste gegen die laufenden Atommülllieferungen aus Deutschlands einziger Urananreicherungsanlage (UAA) im nordrhein-westfälischen Gronau nach Russland. Ein weiterer Transport mit hochgiftigem und radioaktivem Uranhexafluorid (UF6) durch die UAA-Betreiberfirma Urenco wird trotz eines Weltkriegsbombenfunds an der Bahnstrecke schon an diesem Montag erwartet. Dagegen sind Demonstrationen und Mahnwachen in Gronau und an Bahnhöfen entlang der Transportroute angekündigt – etwa in Münster, Hamm und Enschede.

Urenco hat eingeräumt, 6.000 Tonnen UF6 aus Deutschland nach Russland liefern zu wollen. Folgen könnten 6.000 Tonnen aus Anlagen des deutsch-britisch-niederländischen Joint Venture, dessen Gronauer Anlage weltweit Dutzende AKWs mit Brennstoff beliefert und trotz Atomausstieg eine unbefristete Betriebsgenehmigung hat. Auch sei das Uranhexafluorid kein Atommüll, sondern „Wertstoff“ – schließlich soll ein geringer Teil des Materials angereichert und nach Deutschland zurückgebracht werden.

„Urenco ist nicht willens, den eigenen Atommüll in Deutschland sicher zu entsorgen – und täuscht die Öffentlichkeit“, hält die Europa-Vorsitzende der Ärzte-Organisation IPPNW, Angelika Claussen, dagegen.

Massive Kritik kommt auch aus Russland. „Unmoralisch und zynisch“ seien die Transporte, sagte Wladimir Sliwjak von der russischen Umweltorganisation Ecodefense bei einer Demonstration am Sonntag vor der UAA in Gronau. Angesichts der ungeklärten Endlagerfrage versuche Urenco, die Reste aus der Brennstoffproduktion „billigst zu entsorgen“. Ziel der Transporte ist eine Anlage des russischen Atomkonzerns Rosatom in Nowouralsk, bekannt für die Produktion von hochangereichertem Uran für Atomwaffen. „Uranhexafluorid ist kein Wertstoff, sondern Müll“, rief Slivyak: „Warum sonst sollte Urenco Rosatom bezahlen – und nicht umgekehrt?“

Behälter rosten unter freiem Himmel

Rosatom sei unfähig, UF6 sicher zu verwerten, kritisierte in Gronau Raschid Alimow von Greenpeace Russland. Dort habe die Atomindustrie mehr als eine Million Tonnen des Materials angehäuft. Deren Umwandlung in weniger gefährliches Uranoxid – UF6 wird beim Kontakt mit Luft zu hochgiftiger, tödlicher Flusssäure – solle laut Rosatom frühestens 2080 abgeschlossen sein.

Schon vor mehr als zehn Jahren hatten russische Umweltschützer öffentlich gemacht, dass UF6-Behälter unter freiem Himmel vor sich hin rosteten. Urenco hatte seine Transporte nach Russland daraufhin vorübergehend eingestellt. „Geändert hat sich bis heute nichts“, klagte Alimow.

Sylvia Kotting-Uhl, atompolitische Sprecherin der Grünen im Bundestag, fordert die Schließung der Gronauer UAA. Auch der Linken-Bundestagsabgeordnete Hubertus Zdebel spricht von „Billigentsorgung von Atommüll“. Von dem gelieferten UF6 ist bisher offenbar noch kein Gramm wiederverwertet worden. „Derzeit“, heißt es in einem von Zdebel angeforderten Bericht des Bundesumweltministeriums, sei „noch keine Rücklieferung erfolgt“.

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