Neue Regeln für YouTuber*innen: Zukunft ungewiss

Seit Monaten fürchten YouTuber*innen um ihre Existenz auf der Plattform. Nun will das Unternehmen auch noch unrentable Kanäle löschen.

Ein Saal, in dem Menschen auf eine Leinwand schauen, auf der der Youtuber Rezo zu sehen ist

Rezo, hier mit einer Videobotschaft bei einer Preisverleihung, dürfte recht profitabel sein Foto: dpa

Zu Beginn der Woche löste eine Meldung der Videoplattform YouTube Sorge unter Influencer*innen und Kanalbetreiber*innen aus: Der Tech-Konzern kündigte an, seine Nutzungsbedingungen zum 10. Dezember zu ändern. Das ist erst einmal wenig überraschend, denn YouTube lebt von Veränderungen und überarbeitet andauernd seine Geschäftsbedingungen. Was nun für Aufregung sorgte, ist eine bestimmte, sehr vage gehaltene Passage der Nutzungsbedingungen der Plattform. YouTube behält sich künftig vor, „den Zugriff auf Ihr Konto zu beenden“, wenn die „Bereitstellung des Dienstes unwirtschaftlich“ sei.

Wenn also ein Kanal nicht profitabel ist oder zu wenig Profit abwirft, kann er von YouTube geschlossen werden – und das Google-Konto gleich mit. So lässt sich der Passus jedenfalls interpretieren. Problematisch ist, dass YouTube allein beziehungsweise sein Mutterkonzern Google nach eigenem Ermessen entscheidet, wer profitabel ist und wer nicht. Ist das also das Ende für kleine und mittlere YouTube-Kanal­be­trei­ber*innen?

Zahlreiche YouTuber*innen fühlen sich schon lange von dem Konzern betrogen. Seit Monaten finden sich Videos online mit apokalyptischen Titeln: „The end of YouTube?“, „The Apocalypse 2“ oder „YouTube has a huge problem …“. Sie fürchten um ihre Zukunft, da die Plattform ihre Videos nicht mehr oder kaum monetarisiert.

Hintergrund ist die sogenannte „Ad-Apokalypse“. Im Frühjahr 2017 begann YouTube auf Druck von großen Firmen wie L’Oréal oder Coca Cola seine Werberichtlinien zu verschärfen. Sprich: Vor welche Videos ihre Werbeclips geschaltet werden sollen, konnten die Unternehmen anhand von verschiedenen Kriterien festlegen. Ein neuer YouTube-Algorithmus prüfte daraufhin, ob sich Videos für Werbepartner*innen eignen oder nicht. Als Folge platzierte YouTube bei zahlreichen Videos keine Werbung mehr, für kleine Kanalbetreiber*innen bedeutete das einen enormen Einnahmeeinbruch.

Klage von LGBTI-Youtubern

Welchen Kriterien der Algorithmus dabei folgt, ist an keiner Stelle einzusehen und wird von YouTube nicht transparent gemacht. Betreiber*innen von queeren Kanälen berichteten beispielsweise, dass ihre Videos nicht mehr monetarisiert wurden, wenn im Titel, der Beschreibung oder den Hashtags Begriffe wie „trans“, „lesbisch“ oder „gay“ auftauchten. Im August berichtete das LGBTI-Nachrichtenportal queer.de von einer Klage mehrerer YouTuber*innen aus der LGBTI-Community gegen den Konzern. In der Klageschrift warfen sie YouTube vor, „LGBTI-Content oft durch Algorithmen schon Minuten nach der Veröffentlichung als ungeeignet einzustufen und die Macher damit von Werbeeinnahmen auszuschließen“.

Wie hängt aber die neu angekündigte Regeländerung damit zusammen? Könnten nun also besonders solche Kanäle gefährdet sein, die sowieso schon von der Monetarisierung ausgeschlossen sind und auf Grundlage der neuen Nutzungsbedingungen als „nichtprofitabel“ eingeschätzt werden? Auf Anfrage der taz teilt ein YouTube-Sprecher mit, die „Änderungen wirken sich weder auf die Funktionsweise unserer Produkte noch auf die Zusammenarbeit mit den Entwicklern aus“, auch habe es keinerlei Auswirkung auf die Rechte oder Werke der Kanalbetreiber*innen oder auf ihr Recht, Geld zu verdienen.

Zu den Details äußerte sich YouTube gegenüber der aber taz nicht. Doch genau die sind hier entscheidend, bleiben doch viele Fragen offen: Was genau ist für YouTube ein „unprofitabler Kanal“? Bedeutet die Änderung der Nutzungsbedingungen tatsächlich das Aus für zahlreiche Kanäle? Und wie schnell soll ein nichtprofitabler Kanal gelöscht werden können?

Fairtube, eine Kooperation zwischen der Gewerkschaft IG Metall und der Ini­tiative „YouTubers Union“, kämpft seit diesem Jahr juristisch gegen den Konzern. Sie fordern „mehr Fairness und Transparenz“ für die YouTube-Creators, also die Betreiber*innen von YouTube-Kanälen. Robert Fuß, Vorstandsmitglied der IG Metall und Vertreter von Fairtube, kritisiert das Verhalten von YouTube scharf. „Die neuen Regeländerungen sind schon wieder durch Intransparenz und fehlende Nachvollziehbarkeit gekennzeichnet“, sagt er. Letztlich lässt YouTube viel Interpretationsspielraum. Denn das Problem an der Regeländerung bleibt ihre Formulierung selbst – und ihre Uneindeutigkeit. „Derzeit kann man da nur spekulieren“, sagt Jonas Kahl, Anwalt für Urheber- und Medienrecht aus Leipzig. Nach dem 10. Dezember werde die Praxis zeigen müssen, wen genau YouTube als „unprofitabel“ betrachtet.

Dieser Text stammt aus der taz am wochenende. Immer ab Samstag am Kiosk, im eKiosk oder gleich im Wochenendabo. Und bei Facebook und Twitter.

Der Aufruhr um die geänderten Nutzungsbedingungen und die Unsicherheiten vieler YouTuber*innen offenbaren die eigentliche Problematik: YouTubes Umgang mit seinen „Partnern“, wie das Unternehmen selbst gerne Be­trei­be­r*innen von Kanälen nennt und seine Gesprächsbereitschaft. Denn YouTube hat in der Vergangenheit eine Kommunikationsstrategie gefahren, die Nutzer*innen konsequent unzureichend informiert und Änderungen gerne auch mal offen formuliert.

Das beobachtet auch Robert Fuß von Fairtube: „Aus unserer Sicht wird die Geschäftspolitik von YouTube immer schlimmer. Anstatt auf die breite Diskussion zu reagieren, in der es darum geht, mehr Transparenz zu schaffen, weniger Willkür zu haben, eine Nachvollziehbarkeit der Entscheidungen herzustellen, Einspruchsmöglichkeiten für die Betroffenen zu schaffen und einen Dialog zu schaffen, geht diese Ankündigung genau in die entgegengesetzte Richtung.“

Man kann YouTube viel vorwerfen – Intransparenz, eine schlechte Kommunikationsstrategie – letztlich behält das Unternehmen aber das „Hausrecht“. Schließlich lebt YouTube davon, „dass der von Nutzern auf YouTube hochgeladene Content Reichweite erfährt und auch tatsächlich abgerufen wird“, sagt Anwalt Kahl. Werden Inhalte aber nicht aufgerufen, beanspruchen sie aber dennoch die Ressourcen von YouTube, beispielsweise die Server, so „sind sie aus Sicht von Google unprofitabel, weil das Unternehmen kein Geld damit verdienen kann“.

Verpflichten kann man den Konzern auch nicht, da es sich bei YouTube mit Google zusammen um ein privates Unternehmen handle, sagt Kahl. Und trotzdem, es bleibt die Sorge, dass YouTube mit seiner derzeitigen Unternehmensstrategie dabei ist, genau diejenigen von seiner Plattform zu verdrängen, die sie ursprünglich mal ausgemacht hat: die YouTube-Commmunity.

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