Alternative für Lucke

Migrantische Studierende äußerten Unbehagen, in die Vorlesung des AfD-Gründers zu gehen. Der Fakultätsrat hat deshalb beschlossen, eine Alternativveranstaltung anzubieten

Hatte keine Lust, sich Vorwürfe anzuhören: Uni-Präsident Lenzen im Wissenschaftsausschuss Foto: Christian Charisius/dpa

Von Kaija Kutter

Die Proteste bei der Rückkehr des AfD-Gründers Bernd Lucke an die Uni Hamburg hatten ein Nachspiel im Wissenschaftsausschuss der Bürgerschaft. AfD, CDU und FDP wollten wissen, ob alles getan wurde, um die Störung der ersten beiden Lucke-Vorlesungen „Makroökonomie II“ zu verhindern. „Hat der Senat die Uni im Regen stehen lassen?“, fragte CDU-Politiker Carsten Ovens am Mittwochabend. „Das ist nicht der Fall“, konterte Uni-Chef Dieter Lenzen.

Die Uni sei aber „an ihre Grenzen gekommen“. Schlimm für die Angestellten sei die Bombendrohung mit rechtsextremem Absender „Heil Hitler, NSU 2.0“ am 24. Oktober gewesen. „Das geht ins Mark“, sagte Lenzen. Sowohl den Asta als auch die Zentrale hatten infolge der Vorgänge rechte Hassmails erreicht.

Inzwischen habe sich die Lage wieder beruhigt. Nachdem Wissenschaftssenatorin Katharina Fegebank (Grüne) eine Weisung gab, die Vorlesung durchzuführen, konnte Lucke zwei Vorlesungen störungsfrei halten. Der Asta lädt nicht mehr zum Protest, sondern hält Veranstaltungen zur „Causa Lucke“ ab.

Gleich zu Beginn der Ausschusssitzung reagierte Lenzen unwirsch. Der Ex-AfDler und inzwischen fraktionslose Jörn Kruse hielt ihm vor, er hätte sich viel mehr für den Professor einsetzen müssen. „Wir werden uns auf keinen Fall Vorwürfe anhören“, sagte Lenzen. Schließlich sei das hier kein Untersuchungsausschuss. Er und die Wirtschaftsdekanin Gabriele Löschper zählten infolge kalendergenau auf, welche Schritte dem Lucke-Comeback seit Januar vorausgegangen waren. Lucke sei „nicht mit dem Ufo eingeschwebt“.

Auch der Makroökonom selbst habe in Kenntnis des Asta-Demo-Aufrufs „Lucke lahmlegen“ die Lage so eingeschätzt, dass er die erste Vorlesung am 23. Oktober durchführen könne. Er sei darauf hingewiesen worden, dass er im Saal das Hausrecht habe und bei Überfüllung aus Brandschutzgründen die Veranstaltung abbrechen müsse. Doch das tat Lucke nicht.

Der Fakultätsrat hat mittlerweile beschlossen, eine Alternativvorlesung zu der von Lucke anzubieten, zu der sich etwa 100 Studierende angemeldet haben. Ein Grund für die Alternative: Studierende mit Migrationshintergrund hatten im Bezug auf Luckes Vorlesung geäußert, „dass man Sorge hat, wie man da behandelt wird“.

Die Sorge könnte durch ein Zitat genährt werden, das auf der Homepage von Luckes neuer Partei, den Liberal konservativen Reformern, steht, und welches der Linken-Abgeordnete Martin Dolzer im Ausschuss vorlas: Menschen aus westlichen Kulturen hätten „gute Aussicht auf erfolgreiche Integration“, aber dies gelte „für Migranten aus islamischen oder afrikanischen Kulturen allzu oft leider nicht“.

Dolzer fragte, ob es „mit den Grundsätzen der Uni vereinbar ist, in so einer Partei zu sein“, und ob man Lucke nicht auffordern müsse, sich davon zu distanzieren. Auch der Fakultätsrat fordert eine Auseinandersetzung mit Luckes Positionen. Lenzen sagte, mit den Grenzen von Wissenschafts- und Meinungsfreiheit beschäftige sich eine Arbeitsgemeinschaft.

Lucke selbst hatte in einem Streitgespräch der Zeit Fegebank aufgefordert, ein Disziplinarverfahren gegen sich einzuleiten, falls sie denke, dass er nicht demokratisch sei. Die Senatorin lehnte das ab.

Im Ausschuss wurde bekannt, dass der Professor politische Stellungnahmen über das Informationssystem „Stine“ an seine Studierenden verschickt hat – sozusagen als Antwort auf Vorwürfe des Asta. Dolzer sieht darin einen Missbrauch des Infosystems „Stine“. Dieses sei lediglich dafür gedacht, Vorlesungsmaterial an die Studierenden zu verschicken.