Koizumi gescheitert

VON SVEN HANSEN

Japans Ministerpräsident Junichiro Koizumi hat gestern nach dem Scheitern seiner Pläne zur Privatisierung der Post das Parlament aufgelöst und Neuwahlen angesetzt. Laut Medien haben sich Koizumi und sein bisheriger Koalitionspartner, die buddhistische Partei Neue Komeito, auf den 11. September als Termin für Neuwahlen des Unterhauses geeinigt.

Der seit 2001 amtierende Koizumi hofft nun, dass Gegner der Postreform aus seiner eigenen Liberaldemokratischen Partei (LDP) nicht wieder aufgestellt werden und er selbst ein frisches Mandat erhält. Mit den Wahlen geht er jedoch ein hohes Risiko ein, da die Möglichkeit besteht, dass seine seit 1955 mit Ausnahme von nur acht Monaten in den Jahren 1993 und 1994 ununterbrochen regierende LDP in die Opposition muss. Zudem besteht die Gefahr, dass Reformgegner aus der LDP eine eigene Partei gründen, sollten sie wirklich nicht wieder aufgestellt werden. Und die Neue Komeito ließ bereits durchblicken, dass sie auch zu einer Koalition mit der Demokratischen Partei (DP) bereit wäre, sollte die bisher stärkste Oppositionspartei die Wahlen gewinnen.

Zuvor war die umstrittene Postreform im Oberhaus mit 125 zu 108 Stimmen gescheitert. Auch 22 Abgeordnete aus Koizumis eigener LDP stimmten gegen das Reformwerk. Es hatte schon Anfang Juli nur mit hauchdünner Mehrheit das Unterhaus passiert.

Der 63-jährige Koizumi, der einst selbst Postminister war, hatte die Privatisierung der Post als das wichtigste Reformvorhaben seiner verbliebenen Amtszeit bezeichnet und gegenüber innerparteilichen Reformgegnern immer mit Neuwahlen gedroht, falls er bei der entscheidenden Abstimmung scheitern sollte. Er verglich das Vorhaben sogar mit den historischen Reformen der Meiji-Ära im letzten Viertel des 19. Jahrhunderts, dank derer Japan als einziges asiatisches Land kurz darauf zu den westlichen Imperialmächten aufschließen konnte.

Das Reformpaket sah vor, die Post ab April 2007 unter einer Holding in vier Bereiche aufzuteilen: Briefgeschäft, Bank, Lebensversicherung und Schalterdienste. Bis 2017 sollten diese Bereiche schrittweise privatisiert werden. Die oppositionelle DP stimmte gegen die Reformgesetze, weil sie ihr nicht weit genug gehen. Zudem befürwortet sie erst eine drastische Rationalisierung der Postdienste vor deren Privatisierung. Die DP frohlockte gestern. „Jetzt erhalten wir endlich die Gelegenheit die Regierung auszuwechseln,“ sagte Parteichef Katsuya Okada. „Es gibt kein Morgen für Koizumis LDP-Regierung, die ihre Zeit nur mit internen Machtkämpfen verschwendet hat.“

Reformgegner aus Koizumis LDP fürchten neben dem Verlust von Arbeitsplätzen in ihren Heimatregionen auch den eigenen Verlust politischer Einflussmöglichkeiten (siehe Text unten). Wie umstritten die Reformen innerhalb der LPD sind, zeigte sich Anfang August beim Selbstmord des Unterhausabgeordneten Yoji Nagaoka. Er hatte zunächst an Treffen von Reformgegnern teilgenommen, dann aber bei der entscheidenden Abstimmung für die Reform gestimmt. Als dem 54-Jährigen darauf Verrat vorgeworfen wurde, erhängte er sich in seiner Wohnung.

Ein Postmitarbeiter warnte davor, dass private Banken effizienter seien: „Die so genannten kommerziellen Banken bekamen während der Asienkrise alle Milliarden an Steuergeldern. Und jetzt werfen sie uns vor, wir wären ineffizient.“

Abgeordnete hatten auch gegen Koizumis Erpressungsversuch protestiert, bei Ablehnung der Reformen Neuwahlen durchzuführen. Die Macht, das Unterhaus aufzulösen, hat dabei nicht der Ministerpräsident sondern das Kabinett.

Koizumi ist der am längsten regierende Ministerpräsident Japans der letzten beiden Jahrzehnte. Der unkonventionelle konservative Politiker war als Außenseiter an die Spitze seiner Partei gerückt, nachdem diese abgewirtschaftet hatte und nur noch Koizumi zugetraut wurde, sie an der Regierung zu halten. Mit seinem nationalistischen Kurs provozierte er wiederholt China und die beiden Koreas.

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