Kürzungen bei Demokratieprojekten: Politische Kurzsichtigkeit

Kürzungen wie beim Bundesprogramm „Demokratie leben“ sind extrem kontraproduktiv. Keiner kennt die rechte Szene besser als deren Mitarbeiter.

Plakat mir der Aufschrift "bunte Liebe statt brauner Hass"

Effizienter als Polizei und Behörden: Zivilgesselschftliche Gruppen wie hier bei „Rostock Nazifrei“ Foto: dpa

Warum werden Menschen rechtsextrem? Liegt es am Bus, der auf dem Land nur alle drei Stunden fährt? Am lustlosen Wirken der großen Parteien? Ist die Angst vor dem Abstieg schuld oder vielleicht doch schlicht Rassismus? Aber wo kommt der her? Und was könnte dagegen getan werden? Über diese Fragen wird sich der Kopf zerbrochen unter Poli­ti­ker:innen und Journalist:innen, besonders, aber nicht nur, wenn in drei ostdeutschen Ländern gewählt wurde.

Die wahren Expert:innen für diese Fragen sitzen aber weder in Redaktions- noch in Amtsstuben und schon gar nicht bei der Polizei oder im Verfassungsschutz. Die wahren Expert:innen sind die Menschen, die mit politischen, zivilgesellschaftlichen Projekten gegen rechts vorgehen, gerade in Ostdeutschland, gerade im ländlichen Raum, gerade an den Orten und zu den Zeitpunkten, an denen sich Presse, Politik und Behörden kaum für die Situation interessieren.

Dass beim Bundesprogramm „Demokratie leben“, über das solche Projekte gefördert werden können, gekürzt wird, statt es auszubauen, ist deswegen Ausdruck größter politischer Kurzsichtigkeit. Denn so viel sei über Ursachen und Gegenmaßnahmen beim Thema Rechtsextremismus gesagt: Weder der Kontostand noch die Busverbindung sind ausschlaggebend für die Frage, ob jemand empfänglich für rechtsextreme Inhalte ist. Eine gewachsene Kultur der Demokratieverdrossenheit und fortschreitende Normalisierung diskriminierender Positionen, weil diese unwidersprochen bleiben, ist sehr viel plausibler als Erklärung.

300 zusätzliche Stellen für den Kampf gegen Rechtsterrorismus soll der Verfassungsschutz bekommen. Es braucht Wohlwollen gegenüber dieser Behörde, um anzunehmen, dass ihr Ausbau das Problem nicht noch verschärfen wird. Klar ist aber in jedem Fall: ratie lGegen die Ursachen des Rechtsrucks helfen solche Maßnahmen nicht. Dagegen hilft, Demokratieprojekte vor Ort zu unterstützen. Will die Politik die Fehler der 1990er nicht wiederholen, muss sie erkennen, dass dieser Haushaltsposten unter keinen Umständen den Rotstift sehen darf.

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Redakteurin im Ressort Reportage&Recherche | Jahrgang 1990 | Seit 2014 Redakteurin der taz, zunächst im Berlinressort | 2016-2020 schwerpunktmäßig Recherchen zur extremen Rechten, dazu 2019 "Angriff auf Europa" im Ch. Links Verlag erschienen (mit C. Jakob, P. Hecht, N. Horaczek, S. am Orde) | 2020-2022 als Produktentwicklerin verantwortlich für die Konzeption der wochentaz | 2022-2023 Redakteurin im Ressort Zukunft – Klima Wissen Utopien | Seit 2023 im Investigativteam der taz.

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