Neuwahl der Linksfraktionsvorsitzenden: Ende eines Missverständnisses

Der Abtritt von Sahra Wagenknecht ist eine Chance. Die Linke muss sich endlich zu einer undogmatischen, emanzipatorischen Partei entwickeln.

Demonstranten der Partei die Linke, Linkspartei, mit Roter Fahne unteregs

Die Basis der Linken kämpft für eine gerechtere Gesellschaft Foto: Stefan Boness/Ipon

Wenn die Linksfraktion am Dienstag ihre neue Spitze wählt, dann ist das ein erfreuliches Ereignis. Mögen ihre Bewunderer auch Trauer tragen, so ist der Abtritt von Sahra Wagenknecht vor allem eins: eine neue Chance. Denn damit endet ein fatales Missverständnis. Es reicht nicht, schmissige Parolen formulieren zu können und eloquent in Talkshows zu reüssieren.

Um eine Fraktion erfolgreich zu führen, bedarf es einer weiteren, ganz entscheidenden Qualifikation: der Bereitschaft und Befähigung zu kollektivem Handeln. Daran mangelt es Wagenknecht jedoch frappierend. Ihre Vorstellung von Politik setzt nicht auf Diskurs, sondern auf Gefolgschaft. Wer nicht folgen wollte, den betrachten sie und ihr Beraterkreis als Feinde. Das hat die Linkspartei erheblich geschwächt. Statt gemeinsam für eine soziale, gerechte und ökologische Gesellschaft zu kämpfen, zerfleischt sie sich. Daran hat Wagenknecht einen entscheidenden Anteil. Ihre Nachfolgerin muss sich daran messen lassen, ob sie aus Wagenknechts Fehlern gelernt hat.

Konsequent wäre, wenn die Linksfraktion einen wirklichen Neuanfang wagen würde. Wer über den schlechten Zustand der Linkspartei redet, darf vom Co-Fraktionsvorsitzenden Dietmar Bartsch nicht schweigen. Denn er ist der Architekt jenes fatalen Bündnisses aus „Reformern“ und Linksnationalisten in der Fraktion. Das rein machttaktisch begründete Bündnis der „Bartschisten“ mit den „Wagenknechtianern“ war Ausdruck intellektuellen Stillstands und linker Tristesse.

Bartsch und Wagenknecht trennt inhaltlich vieles, was sie aber verbindet, ist eine Fixierung aufs Parlamentarische und eine ökonomistische Verkürzung gesellschaftlicher Realität. Beide verkörpern eine konventionelle, ja kulturkonservative Vorstellung von Politik und Gesellschaft. Den Traum von einer besseren Gesellschaft verkörpern sie nicht. Um mehr als eine kleine Oppositionspartei zu sein, muss die Linke sich zu einer undogmatischen, emanzipatorischen und ökologischen linkssozialistischen Partei entwickeln. Davon ist sie zurzeit noch weit entfernt.

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Jahrgang 1966. Arbeitet seit 2014 als Redakteur im Inlandsressort und gehört dem Parlamentsbüro der taz an. Zuvor fünfzehn Jahre taz-Korrespondent in Nordrhein-Westfalen. Mehrere Buchveröffentlichungen (u.a. „Endstation Rücktritt!? Warum deutsche Politiker einpacken“, Bouvier Verlag, 2011). Seit 2018 im Vorstand der taz-Genossenschaft.

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