Kommission zur rechten Prepperszene: Schlecht prepperiert

2017 geraten „Prepper“ in Mecklenburg-Vorpommern unter Terrorverdacht. Sind sie gefährlich? Die taz wertet interne Unterlagen aus.

Lorenz Caffier (CDU), Innenminister von Mecklenburg-Vorpommern, gibt ein Pressestatement ab. Der Streit um das Ferienhaus von Innenminister Caffier auf der Insel Usedom kommt am 13.08.2019 in Stralsund vor Gericht. Das Landgericht soll über Caffiers Antra

Lorenz Caffier (CDU), Innenminister von Mecklenburg-Vorpommern, richtete die Kommission ein Foto: dpa

BERLIN taz | Lorenz Caffier, der Innenminister von Mecklenburg-Vorpommern, CDU, reagierte schnell, als Ende August 2017 der Generalbundesanwalt in seinem Bundesland ermittelte. Terrorverdacht: Ein Anwalt und ein Polizist sollen Feindeslisten angelegt und geplant haben, an einem „Tag X“ politische Gegner umzubringen. Die beiden sind Mitglied einer Chatgruppe namens „Nordkreuz“. Sie sind rechtsextreme Prepper, die sich auf eine drohende Katastrophe vorbereiten.

Aber was sind Prepper überhaupt genau? Gibt es gefährliche Prepper im Land, und wenn ja, wie viele? Wie kann man ihnen begegnen?

Um solchen Fragen nachzugehen, bildet Innenminister Caffier Mitte September 2017 eine „Kommission zur Beleuchtung der Prepper-Szene in Mecklenburg-Vorpommern“. Dazu lädt er ein: Beamte aus dem Innenministerium und der Polizei (einer ihrer Kollegen steht unter Terrorverdacht, ein weiterer wird später angeklagt). Den Verfassungsschutz (der hat die Vernetzung rechter Prepper übersehen). Vertreter des Landeskommandos der Bundeswehr (das hatte einen der Prepper zum Chef einer Reservistenkompanie gemacht, der später mit Reichsbürger-Äußerungen auffiel) und Vertreter der Landeszentrale für politische Bildung. Dazu zwei Sozialwissenschaftler. Die Leitung wird dem Inspekteur der Landespolizei übertragen.

Am 1. November 2017 tagt die Kommission zum ersten Mal. Bis Mitte 2018 sollte eigentlich der Abschlussbericht vorliegen. Er wurde aber bis heute nicht veröffentlicht. Warum nicht?

Interne Unterlagen

Die Transparenzinitiative „Frag Den Staat“ hat das Landesinnenministerium auf Herausgabe des Berichts nach dem Informationsfreiheitsgesetz verklagt. Der Prozess ist noch anhängig. Bekannt geworden sind bereits Arbeitsdokumente. Die Protokolle, Präsenta­tio­nen, E-Mails und Briefe, die die taz einsehen konnte, geben einen Überblick darüber, was die Prepper-Kommission in den vergangenen zwei Jahren gemacht und herausgefunden hat. Und vor allem: was nicht.

Eine Frage zieht sich durch: Wie soll man sie am besten nennen, die „Personen mit Vorsorgetendenzen“? Wichtig sei, dass „keine negative Verstärkung des Begriffes Prepper erfolgt“. Im Gegenteil: „Das Preppern im Sinne der BBK-Empfehlungen muss in der Öffentlichkeit deutlich positiver und aktiver als bislang beworben werden, um die Grenzüberschreitung zum ,Preppern plus' für jedermann sichtbar zu machen.“

„Prepper plus“?

Das ist der erste Vorschlag für die Benennung jener Prepper, die nicht nur Wasserkanister, Konservendosen und Batterien im Keller lagern, so wie es das Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK) empfiehlt. Sondern auch Waffen und Munition für den „Tag X“.

Weil aber „Prepper+“ dann vielleicht doch zu positiv klingen könnte, werden andere Begriffe diskutiert. Sollte man die radikalisierten Prepper nicht „Black Prepper“ nennen, in Abgrenzung zu den harmlosen „White Prepper“? Oder „Doomer“?

Ein Wissenschaftler der Polizeihochschule äußert seine Zweifel: „Wir sind der Auffassung, dass eine Definition, welche auf zweiwertigen Logiken basiert (Schwarz/Weiß, Gut/Böse, Plus/Minus) unbedingt vermieden werden sollte“, schreibt er. „Die Übergänge zwischen ‚gewolltem‘ Preppen und solchem, welches sich gegen die FDGO (freiheitlich-demokratische Grundordnung, d. Red.) richtet, dürfte zweifelsohne fließend sein.“ Der Einwand findet kein Gehör.

Die Kommission einigt sich, wie sie die Problem-Prepper nennen will: „RadiPre“

31. Januar 2018. Der Vorsitzende weist darauf hin, dass die Recherche sehr aufwendig sei, da es keine systematische Suche nach Schlagwörtern in polizeilichen Systemen gebe. Zumal ja „Prepper“ gar nicht erfasst werden.

Den Fall, der Anlass für die Kommission war, blendet sie weitgehend aus, wegen des laufenden Verfahrens. Ähnlich schwierig ist die wissenschaftliche Betrachtung: Es gibt so gut wie keine Daten, und eine eigene Befragung, wie zunächst angedacht, wäre zu aufwendig. Was also tun?

Recherche bei „Spiegel Online“

„Herr S. macht den Vorschlag, die Prepper-Szene selbst in die Erstellung eines Lagebilds einzubinden.“ Zustimmung. Eingeladen wird später ein Vertreter der „Prepper Gemeinschaft Deutschland“, von ihm hatten sie bei Spiegel Online gelesen.

Es gibt eine Besprechung mit dem Bundeskriminalamt und dem Bundesamt für Verfassungsschutz. Ebenso ist eine Kontaktaufnahme mit dem Militärischen Abschirmdienst geplant.

Ein Verfassungsschutzbeamter präsentiert seine Onlinerecherche: „sechs Internetforen bislang bekannt, teilweise bis zu 3.000 Benutzer / bei den sozialen Medien wird vorrangig ,facebook' genutzt“.

Zu diesem Zeitpunkt stand längst in den Zeitungen, dass die Prepper in Mecklenburg-Vorpommern konspirativ in Telegram-Chatgruppen kommunizieren.

11. April 2018. Der Verfassungsschutzmitarbeiter führt weiter aus: Die offene Prepper-Szene im Netz sei unpolitisch, es könne aber nicht ausgeschlossen werden, „dass entsprechendes Klientel geschlossene bzw. nicht offene Foren und Gruppen nutzt“. Müsste man also nicht versuchen, etwas aus den geschlossenen Gruppen zu erfahren? Nicht der Verfassungsschutz Mecklenburg-Vorpommern: „Aufwand der Recherche in diesem Bereich steht nicht im Verhältnis zum erhofften Erkenntnisgewinn“.

Warum werden Menschen überhaupt zu Preppern? Gute Frage, findet die Kommission. Die „Gründe und die Motivation für das Nutzen der Technik des ,Preppens‘ “ habe „maßgeblichen Einfluss für eine Gefährdungsbewertung“. Sechs Wochen später: „Inhaltlich wird aufgrund fehlender Datenlage nichts zur Motivation der Prepper gesagt“.

Rechte neigen zum Preppen

28. Mai 2018. Die Kommission ist trotzdem zuversichtlich, bald ihren Bericht vorlegen zu können, in dem sie eine Aufklärungskampagne und Beratungsangebote vorschlagen will. Die Erhebung des Lagebilds sei nahezu abgeschlossen. Die Kommission vermutet inzwischen, dass Rechtsextreme eher „als andere Phänomenbereiche“ zum Preppen neigen. „Keine weiteren erheblichen Erkenntnisgewinne zu erwarten“.

Der Generalbundesanwalt hat in der Zwischenzeit noch mal Häuser in Mecklenburg-Vorpommern durchsuchen lassen. Es wurden Computer und Handys sichergestellt, die Ermittler wollen Chatverläufe nachvollziehen.

27. August 2018. Die Chats der „Nordkreuz“-Prepper kennen die Kommissionsmitglieder nicht, als sie abschließend über ihren Bericht diskutieren. Einige der 17 Anwesenden sind nicht so richtig zufrieden.

Im Protokoll wird festgehalten:

„Auftrag war anders formuliert.“

„Problem: keine Ergebnisse bzw. Lage­erkenntnisse.“

„Bericht enthält keine Aussage zu den Namenslisten –> Gefährdungssituation.“

Und müsste man nicht darauf eingehen, „ob Polizei/Bundeswehr (aktiv oder Reservisten) besonders anfällig sind für das Phänomen Preppen“? Die Frage hat sich die Kommission gestellt. Aber keine Antwort gefunden.

Die Mitglieder einigen sich nun zumindest auf den Begriff, wie sie die Problem-Prepper nennen wollen: „RadiPre“.

Der Abschlussbericht soll am 22. November 2018 intern vorgestellt werden, am 6. Dezember dann im Landtag und bei einem „Hintergrundgespräch mit Pressevertreten“. Dass es dazu nicht kommt, liegt an einer Focus-Meldung, die Caffiers Sprecher am 9. November herumschickt: „BKA hat Hinweise auf Netzwerk innerhalb der Bundeswehr.“ Und zwar ein konspiratives Netzwerk von radikalen Preppern.

Der Polizeiinspekteur antwortet: „Das passt ja derzeit gar nicht zu der geplanten Vorlage zum Vorläufigen Abschlussbericht der Kommission Prepper. Aus meiner Sicht bestehen erhebliche Bedenken bzgl der Akzeptanz zum Bericht bei dieser neuen Erkenntnislage.“

Innenminister Caffier: „Das kann ich verstehen, aber ich habe nicht mehr Zeit lange zu schieben.“

Innenstaatssekretär Thomas Lenz schreibt: „Na super. Und der GBA lässt sich weiter Zeit, übers BKA tauchen Ermittlungsakten auf, weil das ja alles so spannend ist, und uns lässt man schön im Dunkeln tappen. (…) Ich bin jetzt der Überzeugung, dass wir unseren Bericht erst präsentieren können, wenn der GBA seine Erkenntnisse offiziell präsentiert hat.“

Erhebliche Mängel im Bericht

Die Ermittlungen des Generalbundesanwalts (GBA) sind bis heute nicht abgeschlossen. Die taz und andere Medien berichten, dass die „Nordkreuz“-Gruppe in das „Hannibal“-Netzwerk eingebunden ist, mit weiteren Mitgliedern in Bundeswehr, Polizei und Verfassungsschutz. Der Bundestag zitiert deshalb die Nachrichtendienste in Ausschüsse, das Parlamentarische Kontrollgremium lässt sich Ermittlungsakten kommen. Abgeordnete im Schweriner Landtag stellen Fragen. Und die Prepper-Kommission? Macht Pause.

Am 12. Juni 2019 nimmt das Landeskriminalamt einen ihrer Kollegen fest, Marko G., den „Nordkreuz“-Adminis­trator. Bei ihm haben Ermittler insgesamt knapp 60.000 Schuss Munition sichergestellt, die drei weitere SEK-Beamte zumindest teilweise aus Polizeibeständen geklaut haben sollen. Marko G. wird wenig später angeklagt, ab Ende November wird er in Schwerin vor Gericht stehen.

8. August 2019. Die Kommission tagt wieder, das achte Mal, in kleiner Runde. Sie will den Bericht trotz der neuen Lage „schnellstmöglich“ veröffentlichen. Für Innenminister Caffier wird eine Ministervorlage erstellt.

Die Rückmeldung ist negativ, handschriftlich auf der Vorlage vermerkt: „Der Bericht hat erhebliche Mängel, da er die Erkenntnisse aus den Strafverfahren des GBA und der StA Schwerin (Staatsanwaltschaft, d. Red.) nicht berücksichtigt und daher vermutlich ein falsches Lagebild über die Prepper-Szene in MV darstellt. Dieses würde den Wert der Kommissionsarbeit zunichte machen und würde in der Öffentlichkeit auf Unverständnis stoßen.“

Die Prepper-Kommission tagt das nächste Mal am 15. November.

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Illustration: taz/Infotext-Berlin (Montage)

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