Mehr Schatten als Licht

Die rot-grüne Bundesregierung hat wenig für Flüchtlinge verbessert, sagt Jens-Uwe Thomas vom Flüchtlingsrat. Beim Senat gebe es etwas Hoffnung

INTERVIEW MARTIN MACHOWECZ

taz: Herr Thomas, wie geht es den Flüchtlingen in Berlin nach sieben Jahren Rot-Grün?

Jens-Uwe Thomas: Durch das neue Zuwanderungsgesetz ist die Unsicherheit für Menschen, die schon früher geduldet wurden, größer geworden. Man hat denen, die schon lange hier leben, noch immer kein verbindliches Bleiberecht eingeräumt. Auch Familien mit Kindern nicht.

Also hat die rot-grüne Bundesregierung gar nichts bewirkt?

Ich sehe da mehr Schatten als Licht. Das Zuwanderungsgesetz bringt Vorteile für Flüchtlinge, die vor nichtstaatlicher Verfolgung fliehen mussten. Das betrifft in Berlin aber nur eine Minderheit. Für die Mehrheit der geduldeten Flüchtlinge hat sich nichts verbessert.

Hat sich die Situation im Abschiebegefängnis verändert?

Leider nicht. Wir sind noch immer europäischer Spitzenreiter mit bis zu 18 Monaten Abschiebegewahrsam. Mit zunehmender Haftdauer wächst die psychische Belastung der Betroffenen. Dann kommt es zu extremen Situationen wie Hungerstreiks und Suizidversuchen. Das sind Signale dafür, dass man die Verhältnismäßigkeit der Haftmaßnahmen überprüfen muss. Abschiebehaft darf nicht zur Passerzwingungshaft werden. Außerdem fehlt ein gesicherter kostenloser Rechtsbeistand für Häftlinge.

Vielleicht verbessert sich ja alles unter Schwarz-Gelb.

Wenn man sieht, dass in der Innenministerkonferenz von den CDU-Ministern eine Bleiberechtsregelung abgelehnt wurde, besteht kaum Anlass zur Hoffnung. Trotzdem werden wir unsere Forderungen weiterhin auch auf Bundesebene stellen, egal, wer an der Macht ist. Rot-Grün ist mit hohen Ansprüchen angetreten, letztlich wurde aus dem Reformprojekt Zuwanderungsgesetz eine Reformruine.

Handelt der Senat besser?

Da gibt es sicherlich Hoffnung, denn der Innensenator hat sich für die im Bund abgelehnte Bleiberechtsregelung eingesetzt und damit unsere Forderungen aufgegriffen. Hoffentlich nutzt er die Spielräume, die ihm durch das derzeit gültige Aufenthaltsgesetz gegeben sind. So könnten auch auf dieser Basis Flüchtlinge aus humanitären Gründen eine Aufenthaltserlaubnis erhalten. Leider wird in Berlin aktuell auch bleibeberechtigten Flüchtlingen der unbeschränkte Zugang zum Arbeitsmarkt verwehrt und somit ihre gewünschte Integration verhindert.

Wie wichtig wäre eine verbindliches Bleiberechtsregelung?

Die Härtefallkommission, die in Berlin eingesetzt wurde, um über schwerwiegende Fälle zu entscheiden, hat durch das Fehlen dieser Regelung viel Arbeit. Die Härtefallregelung, die wir jetzt haben, kann eine Bleiberechtsregelung nicht ersetzen, sondern nur Einzelfalllösungen treffen.

Was muss denn in so einer Bleiberechtsregelung stehen?

Man sollte denen ein Bleiberecht zusprechen, die schon fünf Jahre hier leben. Familien mit Kindern könnten schon nach drei Jahren ein Bleiberecht erhalten. Opfer rassistischer Gewalt und traumatisierte Flüchtlinge müssten sofort bleiben dürfen. Leider kann das nur bundesweit umgesetzt werden. Eine Regelung im Zuwanderungsgesetz dazu wurde versäumt.

Resignieren Sie, wenn die CDU an die Macht kommt?

Ich hoffe, dass wir unsere Ziele trotzdem erreichen. Wir wurden ja auch durch Rot-Grün nicht gerade verwöhnt.