Wortkarger Pragmatiker und die selbstbewusste Nachwuchshoffnung

Die Brandenburge­rin Klara Geywitz ist hart im Nehmen und nicht so leicht zu beeindrucken

Es ist, von außen gesehen, keine große Überraschung, dass Olaf Scholz (61) und Klara Geywitz (43) weiter im Rennen um den SPD-Vorsitz sind. Scholz ist Vizekanzler, Finanzminister, einer der wenigen überregional bekannten SPD-Politiker überhaupt.

Allerdings sah das aus der Perspektive von Scholz und Geywitz etwas anders aus: Die Unsicherheit war groß. Scholz bekam auf SPD-Parteitagen regelmäßig Ergebnisse, die als Ohrfeige gedacht waren. Er verkörpert jenen nüchternen, gefühlsarmen und eher wortkargen Pragmatismus, der auf Parteitagen generell nicht so recht ankommt. Und Scholz gibt seinen Genossen auch gern zu verstehen, dass er intellektuell in einer anderen Liga spielt. Damit sammelt man auch keine Sympathiepunkte.

2003 hat Scholz als SPD-Generalsekretär eisern die Agendapolitik verteidigt. An den zerknirschten Debatten, ob nicht mal langsam eine Revision fällig wäre, hat er sich nie beteiligt. Auf seinem Habenkonto steht, dass er als Arbeitsminister schon vor knapp 15 Jahren für den Mindestlohn warb, in der Finanzkrise ein keynesianistisches Konjunkturprogramm entwarf und in Hamburg den sozialen Wohnungsbau förderte.

Klara Geywitz passt gut zu Scholz. Sie kommt aus der eher konservativen Brandenburger SPD, ist robust, handfest und pragmatisch und niemand, der Exkursionen auf ideologisch ungesichertes Terrain macht. Mit Ministerpräsident Dietmar Woidke überwarf sie sich als SPD-Generalsekretärin, als dieser die Kreisgebietsreform – die äußerst unbeliebte Fusion von Kreisen und Kommunen – abblies. Ohne diesen Rückzieher hätte die SPD wohl den ­Wahlsieg 2019 in Potsdam vergessen können. Dieses sture Beharren auf einem technokratischen Projekt hätte auch zu Scholz gepasst.

Geywitz hatte es bei den Regionalkonferenzen als bundespolitische Unbekannte nicht leicht, neben Scholz ein klares Profil zu gewinnen. Dass sie Anfang September bei der Brandenburg-Wahl auch noch ihren Wahlkreis in Potsdam an eine 28-jährige Grüne verlor und damit auch ihren Landtagssitz einbüßte, macht das Machtgefälle zwischen ihr und ihm noch größer.

Doch es wäre falsch, Geywitz zu unterschätzen. Sie ist kein bloßer Spiegel von Scholz – zumindest ein Korrektiv in Sachen Osten und Präsenz von Frauen. In Brandenburg hat sie das Paritégesetz, das Parteien auf die Quote verpflichtet, mit durchgesetzt. Geywitz ist hart im Nehmen und nicht leicht zu beeindrucken – zwei Ei­genschaften, die nötig sind, wenn man das Willy-Brandt-Haus führen will und dabei auch noch Olaf Scholz an der Seite hat, dem die autoritäre Ansage nicht fremd ist.

Stefan Reinecke