Die Utopie hat Plakatierverbot

Studierende reden über eine freiere Uni. Die wiederum stört die ungenehmigte Werbung für die Debatte

Die Verwaltung der Uni drohte sogar, die Veranstaltung ganz aufzulösen

VonLukas Scharfenberger

„Utopie Uni“ ist der Titel einer Veranstaltungsreihe an der Uni Bremen, die sich mit deren revolutionären Anfängen befasst. Am vergangenen Mittwoch luden sie dazu die beiden ehemaligen Professor*innen Heide Gerstenberger und Frieder Nake ein. Doch ohne Reibung mit der heutigen Uni ging es nicht: Wegen fälschlich plakatierter Werbung drohte der Leiter des Raumbüros Karsten Lehmkuhl, die Veranstaltung aufzulösen.

Die Bremer Uni wurde 1971 gegründet und galt damals als Reformprojekt. „Wir haben auch in den Pausen über die Revolution gesprochen“, erinnerte sich Gerstenberger. „Es war im Grunde eine Lebensform.“ Die Uni setzte damals auf die sogenannte Drittelparität: Die Entscheidungsgremien setzen sich zu gleichen Teilen aus Studierenden, Assistenten und Professoren zusammen. Das kann man demokratisch nennen, oder aber verfassungsfeindlich: „1973 gab es eine Klage aus dem Kreis der Professoren vor dem Bundesverfassungsgericht. Die haben gesagt, das ist gegen die Verfassung“, erzählte Nake. Nachdem Urteil aus Karlsruhe musste auch in Bremen die professorale Mehrheit in den Gremien eingeführt werden.

Die heutige Uni hat ganz andere Sorgen: Da die Studierenden im Vorfeld illegal an der Uni plakatiert hatten, schaltete sich der Leiter des Raumbüros ein. In einer Mail drohte er Fabienne Klatt, einer der Organisator*innen, mit Reinigungskosten, einem Gespräch mit der Unileitung und der Auflösung der Veranstaltung, wenn sie nicht die Plakate umgehend entferne. Die Studentin bestreitet, plakatiert zu haben: „Ich habe nur den Raum gebucht.“ Seine Drohung wiederholte Lehm­kuhl indes. Mittlerweile ist klar, dass er sie selbst gar nicht umsetzen kann: „Ich habe Reinigungskosten angedroht, aber ich gehe nicht davon aus, dass die Unileitung dem entsprechen wird“, räumt er auf Nachfrage ein. Klatt empfindet die Drohungen als Repression, zeigt sich aber entspannt: „Da ich gemerkt habe, dass auf seine Worte keine Taten folgen, gehe ich nicht davon aus, dass da noch was kommt.“

Sein Vorgehen findet Lehmkuhl richtig, auch wenn er eigentlich nur für die Belegung der Räume zuständig ist: „Das gehört irgendwie zu den Aufgaben von allen Mitarbeitern, darauf zu achten, dass das Inventar und die Gebäude der Uni pfleglich behandelt werden.“ Schließlich wolle auch niemand bei sich zu Hause alles voll plakatiert haben und die Kosten für die Reinigung müsse am Ende der Steuerzahler berappen. Er verweist auf offizielle Pinnwände der Uni.

Das „allgemeine Plakatierverbot“ sorgt schon länger für Streit an der Uni. An prominenten Stellen am Campus darf nur kommerzielle Werbung geklebt werden, was vielen Student*innen sauer aufstößt „Ich halte nicht viel davon, dass man für selbstorganisierte Veranstaltungen keine Werbung machen darf“, sagt Klatt und die Pinnwände der Uni seien auch zu unübersichtlich.

Heute Abend soll in der Veranstaltungsreihe mit ehemaligen Studierenden über die politischen Kämpfe der damaligen Zeit gesprochen werden. Und wie reagiert Herr Lehmkuhl? „Ich werde mir auf jeden Fall einen Termin bei der Unileitung besorgen, um nochmal darüber zu sprechen.“