Frohe Botschaften in Holz

Freundlich-sympathische Kalauerei, die zugleich hintergründig-melancholisch über den Weltzustand berichtet: Thorsten Passfeld zeigt in seiner Galerie Feinkunst Krüger 100 hölzerne Schrift-im-Bild-Tafeln

Vielleicht auch einfach biografisch gemeint: „Hoffe ich werde alt bevor ich sterbe“ Foto: Thorsten Passfeld

Von Hajo Schiff

Es gibt ein Buch über Thorsten Passfeld, das heißt: „Ich bin zurück! Stunden zu spät, im Grunde Jahre“. Jetzt ist der 44-jährige Hamburger nach weltweiten Ausstellungen wieder zurück in seiner alten Galerie Feinkunst Krüger und hat auch zu seinem früheren Stil zurückgefunden. Ging es vor zwei Jahren eher um die Idee ganz malerisch aufgebauter Holzbilder, ist nun in dieser fünften Ausstellung in den Kohlhöfen die so typische und beliebte Schrift im Bild wieder da. Auch ist das ja immer sehr aufwendig Handwerkliche gegenüber der Malerei im Material nun bei den neueren, mitunter Pop-affinen Notaten auf einen Hauch weniger Perfektion zurückgenommen.

Passfeld ist zu seinem unverwechselbaren Werkstil zurückgekehrt. Den Vorwurf des Selbstzitats hebt er elegant mit auffälligen echten Doubletten auf. In der wunderkammervollen Galerie hängen 100 Arbeiten, alle aus diesem Jahr, wobei das Bestreben war, nicht mehr die endgültige Form zu suchen, sondern fast jeden Einfall möglichst bald umzusetzen: von einer kleinen Kaffeetasse bis zur großen Kommentartafel zum Kunstbetrieb.

„Jetzt wo das mit der Firma so super läuft, kaufe ich Kunst. Am liebsten irgendwas Poppiges mit Text und Ironie. Ich finde das passt zu mir“, verkündet eine Schrifttafel zwischen zwei – klar – poppigen Hasileins. Eine hübsche Kundenbeschimpfung und so echt wie aus einem Interview mit jungen erfolgreichen Chefs eines Berliner Start-ups im Hochglanzwirtschaftsmagazin.

Die ganze Freundlichkeit, die sympathische Kalauerei dieser Kunst ist eine große Falle eines zugleich gefühlsbetonten und reflektierenden Künstlers. Vieles spricht von einer zart angedeuteten Liebe und vom kleinen Scheitern im Alltag. „Trompete spielen statt Essen“ mag an Klischees von Boheme erinnern, kann aber auch direkt biografisch gelesen werden, ist Thorsten Passfeld doch durchaus auch Musiker.

Und wenn unter der Überschrift „Scheiß Vögel“ die Worte „Rumschreien, Freisein, Wegfliegen“ lesbar werden, zeigt sich, dass die beneidete Möwe ein Zeichen dafür ist, dass der einst befreiend ersehnte große Aufbruch der Romantik einerseits oder der Revolution anderseits ausgeträumt ist. Da scheint nur der klare Realismus zu bleiben, in dem ein Revolver aus Holz von sich sagt: „Dies ist ein Revolver aus Holz“. Analoge Fertigung, mühselige Sägerei, wer so was macht, formuliert schon allein darin eine Kritik an Laserschnitt, schnellen Medien und sofortiger Erregung.

Weil gerade Reformationstag war, kann vor solchen Arbeiten auch an evangelische Schriftretablen erinnert werden, große zierend beschnitzte Altartafeln mit wenig Bild und belehrenden Bibelzitaten. Denn Passfelds Bild und Text kombinierende Sperrholztafeln sind immer verblüffend, manchmal sehr komisch, aber über den Witz hinaus oft auch melancholisch und etwas nostalgisch – und hintergründig über den Weltzustand berichtend.

Der moralische Anspruch ist bei dem studierten Künstler und Philosophen jedenfalls gegeben. Wie sonst könnte er in 600 Stunden für den „Wilhelmsburger Freitag“ 2007 die „Kirche des guten Willens“ errichtet haben, jenes aus Altholz gebaute Veranstaltungshaus um die Frage, wie man denn ein besserer Mensch werden könne.

„The Night of the Hundert“: Vernissage: Sa, 2. 10., 20 Uhr, Feinkunst Krüger; Ausstellung bis 23. 11.