Lebensstile von Politikern: Normal musst du sein!

Dürfen linke Politiker Porsche fahren oder Brioni-Anzüge tragen? Wann immer solche Lebensstilfragen aufpoppen, geraten Argumente durcheinander.

Ein quietschgelber Porsche 911

Wer darf ein solches Auto fahren? Ein Porsche 911, hier ein Foto eines gestohlenen Exemplars Foto: dpa

Eine Freundin von mir vertritt die Ansicht, die Mentalitätsunterschiede zwischen Deutschen und Österreichern träten besonders plakativ in zwei Liedern zutage: in dem Song „Ruaf mi net an“ des verstorbenen Wiener Liedermachers Georg Danzer und in „Zu spät“ von den Ärzten.

Beide haben dasselbe Thema, nämlich verschmähte Liebe. Hauptfigur ist jeweils ein junger Mann, der von seiner Freundin verlassen wurde, weil sie sich einen klügeren, reicheren, prestigeträchtigeren Partner gesucht hat. Doch während in der deutschen Version die Ich-Figur in gigantomanische Fantasien verfällt, versinkt die österreichische Figur in weinerlichem Selbstmitleid.

Bei den Ärzten heißt es: „Doch eines Tages werd’ ich mich rächen / Ich werd’ die Herzen aller Mädchen brechen / Dann bin ich ein Star, der in der Zeitung steht / Und dann tut es dir leid, doch dann ist es zu spät.“

Bei Danzer dagegen tut der trauernde Twentysomething gar nichts, nimmt Tabletten, kann nicht mehr schlafen und verwünscht den neuen Liebhaber, der die Ex in Restaurants einlädt und ein teures Auto fährt. „I waß du hasd jetzt an Freund mid an Porsche / Geh sag ihm er soll do in Oasch geh.“ Allein dafür, dass er „Porsche“ auf „Oasch geh“ („in den Arsch gehen“) reimte, gebührt Danzer der Literaturnobelpreis. Der Porsche steht hier für Protzerei, für das Neureiche, auch ein bisschen für das Ludenhafte. Porsche repräsentiert auch ein wenig das Unse­riöse, Krösushafte.

Wir führen ja bei uns in Österreich meist ähnliche Debatten wie ihr in Deutschland, nur noch ein bisschen dümmer. Deswegen hatte die österreichische Sozialdemokratie zuletzt ihre „Porsche“-Debatte. Die SPÖ ist ja bei den vergangenen Parlamentswahlen auf 21 Prozent abgestürzt, Tags darauf trat der Bundesgeschäftsführer zurück und holte seine Habseligkeiten mit seinem schicken Oldtimer-Porsche aus der Parteizentrale. Als sich dann noch herausstellte, dass auch der Tiroler Landesvorsitzende mit einem modernen Porsche-Modell durch die Gegend kurvt, waren die „Luxus-Sozis“ in den Schlagzeilen und buchstäblich „im Oasch“.

Entkontextualisierte Debatte

Wann immer solche politischen Lebensstilfragen aufpoppen, geraten die Argumente durcheinander. Die einen meinen, linke Politiker müssten auch durch ihren Lebensstil ausdrücken, dass sie auf der Seite der einfachen Leute stehen, und dafür sind Villen, Luxuskarossen und teure Uhren, Brioni-Anzüge und Zigarren Gift. Die anderen meinen, dass diese Leute sich das Zeug ja erstens von ihrem verdienten Geld gekauft haben, sie daher auch niemandem Rechenschaft schuldig seien, dass es zweitens darum gehe, ob sie gute Politik machen, nicht ob sie in Sack und Asche herumliefen, und dass die Linken, drittens, doch für Wohlstand und Luxus für alle eintreten, nicht für Armut für jeden.

Das Problem ist, dass diese Debatte völlig entkontextualisiert geführt wird. In einem diskursiven Kontext, in dem sowieso zu viele Menschen der Meinung sind, die einstigen Linksparteien hätten sich von den einfachen Leuten entfernt, wären abgehoben und hätten außerdem auch den Mut verloren, die wirtschaftlich Mächtigen zu bekämpfen (und würden stattdessen danach gieren, einen Platz am Tisch der wirtschaftlich Mächtigen zu ergattern) – in solch einem Kontext ist jedes Attribut der Protzerei natürlich Gift. Weil es (Vor-)Urteile bestätigt, ja regelrecht illustriert. Ich persönlich hätte ja auch gerne einen hübschen Porsche wie James Dean, aber würde ich linker Politiker, würd’ ich ihn für ein paar Jahre in der Garage stehen lassen (die ich auch nicht habe).

Die nächsten SPD-Vorsitzenden heißen höchstwahrscheinlich „Norbert und Saskia wer?“. Wird eine Zeit brauchen, bis man sich die Namen gemerkt haben wird. Die Pärchenläufe um den Parteivorsitz gehen jetzt in die Endrunde. Und da geht es natürlich auch um solche Fragen: Welche radikalen Konzepte muss eine Sozialdemokratie heute vertreten? Aber auch: Wie schafft sie es, wieder zum Fürsprecher der einfachen Leute zu werden? Aber es gehört natürlich auch die Frage dazu, welche Persönlichkeitsattribute jemand verkörpern muss, der heute die Rolle eines glaubwürdigen Linkspolitikers ausfüllen will. Eine gewisse ­Erdung stört da nicht. Normal musst du sein.

Viele haben das noch immer nicht verstanden. Viele Apparatschiks und Establishment-Sozis, die ihr Leben erst auf der Uni, dann im Umfeld der Partei, in Ministerkabinetten, parlamentarischen Ämtern und in Regierungen verbracht haben und denen man die Volksferne von Weitem ansieht, glauben ja echt zum Beispiel, die einstige Wähler­klientel habe sich primär wegen Zuwanderung der SPD entfremdet. Viele dieser Leute können nicht einen Satz formulieren, den ein normaler Mensch versteht, und glauben echt, es läge an den Ausländern, dass die weiße Arbeiterklasse nicht mehr den Sozialdemokraten vertraut.

Dabei liegt es ja an ihnen.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Geboren 1966, lebt und arbeitet in Wien. Journalist, Sachbuchautor, Ausstellungskurator, Theatermacher, Universaldilettant. taz-Kolumnist am Wochenende ("Der rote Faden"), als loser Autor der taz schon irgendwie ein Urgestein. Schreibt seit 1992 immer wieder für das Blatt. Buchveröffentlichungen wie "Genial dagegen", "Marx für Eilige" usw. Jüngste Veröffentlichungen: "Liebe in Zeiten des Kapitalismus" (2018) und zuletzt "Herrschaft der Niedertracht" (2019). Österreichischer Staatspreis für Kulturpublizistik 2009, Preis der John Maynard Keynes Gesellschaft für Wirtschaftspublizistik 2019.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.